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Man wird ja noch kritisieren dürfen…

Man wird ja noch kritisieren dürfen…

über Whataboutism und die „Kritik“ an einer 16-Jährigen

Ein 16-jähriges Mädchen liest wissenschaftliche Studien, versteht sie, reflektiert sie und bekommt Panik. Das 16-jährige Mädchen ist überdurchschnittlich schlau und gebildet und in der Lage, die Komplexität natur- und gesellschaftswissenschaftlicher Studien zu verstehen. Es erfährt, dass die Auswirkungen der Klimakrise fatal sind und sich diese nicht mehr abwenden lassen, wenn wir auf dem Planeten so leben wie zuvor. Was es nicht versteht: Wieso wir dann einfach so weiter machen. Oder noch schlimmer: Wieso unser CO2-Ausstoß sogar noch steigt. Jahr für Jahr und Monat für Monat. Es liest, dass wir handeln müssen und zwar sofort. Dass wir keine Zeit mehr haben, um zu diskutieren, zu hoffen und abzuwarten. Das Mädchen handelt.

Sie beginnt einen Schulstreik und schon bald machen es ihr Tausende von Kindern und Jugendlichen nach. Überall auf der Welt streiken junge Menschen am Freitag die Schule und wollen auf die Erkenntnisse der Wissenschaft und die Taten, die daraus eigentlich resultieren müssten, hinweisen. Auch immer mehr Erwachsene lassen sich mitreißen und sind dabei. 

Doch die Politik und die Industrie machen weiter, wie bisher. Und nicht nur das, in den sozialen Medien, in den klassischen Medien und in zwischenmenschlichen Gesprächen ist es plötzlich das Mädchen, das im Fokus steht. Nicht die Klimakrise. Hat es Brot aus einer Plastiktüte gegessen? Gibt es etwa einen Notfall-Diesel-Motor auf dem Segelboot, das es um die Welt schippert? Benutzt es etwa Marketingmaßnahmen, um ihre Botschaft an die Öffentlichkeit zu bringen? Sind die Bücher, die das Team des Mädchens rausbringt, etwa auf Papier gedruckt?

„Ich will, dass ihr in Panik geratet. Ich will, dass ihr die Angst spürt, die ich jeden Tag spüre. […] Ich will, dass ihr handelt, als würde euer Haus brennen. Denn es brennt.“

Sagt das Mädchen, Greta Thunberg.

Doch statt dass genau das passiert, diskutieren wir über die Person, die den Brand meldet.  Und lassen unser Haus und die gesamte Nachbarschaft weiter abrennen. Wir lassen es nicht nur abrennen, sondern legen immer wieder schönes Brennmaterial nach. 

Wikipedia beschreibt „Whataboutism“ wie folgt:

„Es bezeichnet heute allgemein die Ablenkung von unliebsamer Kritik durch Hinweise auf ähnliche oder andere wirkliche oder vermeintliche Missstände auf der Seite des Kritikers.“

Und das ist genau das, was hier passiert.

Aber wir haben keine Zeit mehr. Es sollte uns vollkommen egal sein, wie Greta Thunberg lebt. Stattdessen sollten wir ihr dankbar sein, dass sie in der Lage ist, uns aufzurütteln, zu berühren und dieses komplexe Thema so gut aufgearbeitet an die Menschen zu bringen. Mir ist egal, welche Marketingstrategien sie verwendet hat oder irgendwelche Menschen hinter ihr. Ich bin einfach nur dankbar, dass diese Strategien offenbar funktionieren.

Ich bin ihr dankbar, dass sie das Thema in die Medien gebracht hat und nicht aufgibt – auch nach einem Jahr nicht. Ich bin ihr dankbar, dass sie all den Hass und die sogenannte „Kritik“ auf ihre jungen Schultern nimmt und sich unserem Planeten verschreibt.

Wir brauchen mehr Menschen wie Greta. Und wir müssen vor allem aufhören, über Greta zu sprechen und stattdessen über Lösungen reden. Wir haben keine Zeit mehr. Die CO2-Emmissionen müssen jetzt und sofort drastisch reduziert werden. Sonst diskutieren wird bald gar nicht mehr. Und ich möchte meine Kinder und Kindeskinder noch diskutieren sehen. Entspannt. Auf unserem schönen Planeten Erde. 

In diesen Zusammenhang möchte ich Euch einen schönen Kommentar von Ankerherz zu diesem Thema ans Herz legen. Ihr Kommentar dazu:

„Wie kommt Greta Thunberg zurück? Wer segelt das Boot? Darf die „Down-Göxx“ das denn? Und noch eine Frage an einige hier: Habt Ihr sie eigentlich noch alle?“ 

– Ankerherz auf facebook
Die erschreckenden Thesen eines großen Speaker Events

Die erschreckenden Thesen eines großen Speaker Events


Oder: Wie nutze ich unglückliche junge Männer aus

„Wer reich ist, ist glücklich. Wer unglücklich ist, ist selbst schuld. Gebt mir Euer Geld und Ihr könnt alles erreichen.“, so oder so ähnlich hallte es aus all den vollen Vortragshallen. Ich war auf einem großen Founder und Speaker Event – einem der größten in Deutschland. Eine Veranstaltung voller Speaker und Coaches und Coaches von Coaches. Und ein Event voller junger Männer (und einiger Frauen), die mit ihrem Leben unzufrieden sind und davon träumen, eines Tages reich zu sein. 

Der Traum besteht tatsächlich auf den ersten Blick erst mal aus „reich sein“. Auf der Veranstaltung sprachen „bekannte“ Speaker. Und alle sagten in etwas das Gleiche: „Du bist jung und arm? Selbst schuld! Du bist übergewichtig? Selbst schuld! Du bist unzufrieden? Selbst schuld!“ Und dann erzählten sie, wie man mit ihrem 10-Wochen-Online-Kurs in drei Monaten reich wird. Jeder könne das, wenn er oder sie nur wolle. Das war das Credo. Ich kam aus dem Staunen gar nicht wieder heraus.

Hier sechs Thesen, die mir immer wieder begegneten:

1.  Finanzieller Reichtum ist das oberste Ziel

Wie kann es sein, dass ein so großer und wichtiger Teil der Generationen Y und Z offensichtlich ihr größtes Glück im finanziellen Reichtum suchen? Gerade in Zeiten der Berichterstattung über #FridaysforFuture und Co ist die Diskrepanz einfach so enorm, dass ich den Mund gar nicht mehr zu bekam. Ich bin nicht naiv genug, um zu glauben, dass Geld keine Rolle spielt – aber wie kann man seine gänzliche Identität und sein Glück auf finanziellen Reichtum beschränken?

Einige Speaker Events setzen finanziellen Reichtum als oberstes Ziel
Geld regiert die Welt – oder nicht?

2.  Alle können alles erreichen

Was mir auch wirklich Bauchschmerzen machte, war die Tatsache, dass die aller meisten der Zuschauer viel Geld für Kurse und Veranstaltungen dieser Art ausgeben. Und dass die sogenannten Coaches auch noch mit ihrem Reichtum prahlten. Dabei war so ersichtlich, dass die junge Zuhörerschaft wohl niemals zu diesem Reichtum kommen wird, sondern ganz im Gegenteil, zu mindestens teilweise wohl in finanzielle Schwierigkeiten kommt, wenn sie sich solche „Masterclasses“ buchen. In unserer Art des Zusammenlebens und in unserer Gesellschaft sind nun mal nicht allen die gleichen Chancen gegeben.

3.  Nimm Dir Sekten als Vorbild

Über 5000 Leute sahen den Speakern zu. Die Speaker riefen dazu auf, dass alle gleichzeitig die Augen schlossen, Geräusche machten, „I am Ready“ ausriefen, oder vor Freude trampelten. 5000 Menschen machten es ihnen nach. Im Gleichschritt. Mich erinnert das stark an das Vorgehen von Sekten und Regimen und macht mir Angst. Ein Zufall?

4.  Frauen brauchen wir nicht 

Auf dem zweitägigen Event sprachen genau null Frauen (mit Ausnahmen einer Roboterfrau, das würde ich jetzt aber nicht als positiv bezeichnen). Die Zielgruppe war zwar eher männlich, aber auch junge Frauen interessierten sich für die Themen. Und wer sich ein wenig mit Unternehmertum und Persönlichkeitsentwicklung auseinandersetzt, der oder die weiß, dass es durchaus auch viele weibliche Speaker aus dem Bereich gibt.

5.  Bildung ist sinnlos

Schule, Ausbildung und Universität sind sinnlos und Zeitverschwendung. Diese Aussage wurde gebetsartig immer wieder genannt. Ich sehe Bildung als eines der höchsten Güter. Doch klar: Wer gelernt hat zu reflektieren und kritisch zu denken, der wird den Coaches sein Geld nicht geben. Damit sind gebildete Menschen wohl das Feindbild ihres Businessplans.

6.  Denk nur an Dich

Es ist vollkommen irrelevant, inwiefern Dein Handeln Deine Mitmenschen und Umwelt beeinflusst, Hauptsache Du wirst reich. Denk nur an Dich, dann wirst Du glücklich. Während sich ein Redner mit einer Sänfte durch den Raum tragen ließ, musste ich an die global- und umweltpolitischen Probleme unserer Zeit denken und ich wurde richtig wütend. Wie war das noch mal mit der spätrömischen Dekadenz?

Mein Fazit

Ich habe zwei Tage auf dem Event verbracht, um mir ein Bild zu machen. Und seit diesen zwei Tagen, die nun schon einige Wochen zurückliegen, vergeht kein Tag, an dem ich nicht erstaunt zurückdenken. 

Die spezielle Veranstaltung, von der ich schreibe, bestand nicht nur aus mehreren Rednerbühnen, sondern auch einem großen Messeanteil. Hier repräsentierten sich viele bekannte und weniger bekannte Unternehmen. Zum Teil auch öffentliche Stellen. Mir ist es ein Rätsel, wie seriöse Unternehmen und Verwaltungen eine solche Veranstaltung fördern können und was sie sich davon erhoffen. 

Wenn so viele der vorwiegend jungen Männer von dieser egozentrischen Lebenseinstellung geprägt sind, wie sieht dann die Zukunft aus?

Equal Pay – 3 Gründe, wieso ich immer noch darüber spreche

Equal Pay – 3 Gründe, wieso ich immer noch darüber spreche

Am Equal Pay Day hatte ich die Chance, in der Hessenschau drei Statements abzugeben. Wieso ist das Thema Equal Pay im Jahr 2019 immer noch relevant?

Es geht um die Lohnlücke. Entweder hören wir von 21 % (Frauen verdienen unabhängig von Stelle und Position im Schnitt 21 % weniger als Männer) oder von 6 % (auf gleicher Position verdienen Frauen immer noch 6 % weniger). Es gibt viele Gründe für die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen in Deutschland, u. a.:

  • Der kulturelle und gesellschaftliche Anspruch
  • Diskriminierung
  • fehlende Pflegeplätze und fehlende Kinderbetreuung
  • schlechte Bezahlungen sogenannter Care-Arbeit (also z. B. Pflegeberufe)

Auf einige dieser Punkte möchte ich im Folgenden besonders eingehen. Es wird vor allem deutlich, wie sehr sie alle zusammen hängen.

  1. Nicht nur fehlende Betreuungsangebote, sondern vor allem auch der gesamtgesellschaftliche Anspruch erschwert Müttern den Wiedereinstieg in die Lohnarbeit!

Wenn ich mir immer wieder anhören muss, ich sei eine Rabenmutter, weil ich meinen Sohn mit 13 Monaten in die Kita gebe, dann erleichtert mir das sicherlich nicht den Lohnerwerb – geschweige denn von einer motiviert vorangetriebenen Karriere. Dabei müssen die Vorwürfe nicht nur direkt erscheinen. Gerne höre ich auch: „Wie? Sie können vormittags nicht zum Kinderarzt?“ oder „Haben Sie denn keine Freundinnen, die nachmittags um 15h kurz Ihren Sohn nehmen können, damit wir ein Elterngespräch in der Kita führen können?
Aber besonders schmerzt natürlich ein „Aber… er ist doch noch so klein!“ oder „Ach, ich könnte das ja nicht…
Doch: Welche Wahl bleibt einem denn, wenn man nur 14 Monate Elterngeld bekommt, die Mieten stetig steigen und jeder Monat außerhalb des Jobs den Wiedereinstieg erschwert?

Also Mutter soll man bitte möglichst lange rund um die Uhr für die Kinder da sein. Als Frau aber bitte Karriere machen, Geld verdienen und mindestens 40 Stunden für den Arbeitgeber und die Gesellschaft da sein. Na dann…

2. Wer in Deutschland als Frau Kinder bekommt, wird dafür langfristig finanziell abgestraft und gerät in die Gefahr der Altersarmut. Männer nicht.

Gerade erst wurde die sogenannte Child-Penalty-Studie veröffentlich, welche deutlich macht: Auch 10 Jahre nach der Geburt des ersten Kindes liegt das Einkommen von Müttern immer noch 61 % unter dem letzten Durchschnittsgehalt im Jahr vor der Geburt. Wenn man nun das Alter der Frauen zehn Jahre nach der Geburt ansieht, wird klar, dass diese Lohnlücke wohl in den seltensten Fällen wieder aufgeholt wird.

Hinzu kommt ein weiterer wichtiger Punkt, der leider oft ausgeblendet wird: Weniger Gehalt oder gar Gehaltsausfälle führen zu fehlende Rentenpunkten. 75 % der heute 30- bis 50-Jährigem Frauen werden voraussichtlich eine Rente unter dem Harz4-Niveau bekommen, berichtete die Süddeutsche Zeitung! Natürlich kann es sinnvoll sein, dass die Frau ein Jahr zu Hause bleibt und der Mann Vollzeit arbeitet, doch dann sollte man dieses Thema ansprechen. Rentenpunkte lassen sich auch weitergeben und ein Partner kann dem anderen die Gehaltslücken auch auszahlen. Denn auch Care-Arbeit ist Arbeit. Meist sogar weit über 40h/Woche hinaus!

3. Gleichberechtigte Aufteilung der Care-Arbeit ist im Alltag nur selten gleichberechtigt. Der sogenannte „Mental-Load“ verbleibt in vielen Fällen bei den Frauen – neben der Lohnarbeit.

Die feministische Künstlerin „Emma“ aus Frankreich (die nichts mit der deutschen Zeitung „Emma“ zu tun hat), hat vor einiger Zeit einen Comic zu dem sogenannten „Mental Load“ veröffentlicht. Angeblich haben Frauen überall auf der Welt geweint, weil sie begriffen haben, was sie so oft im Alltag ermüdet. Die Idee hinter dem Comic ist, dass Frauen, die von sich glauben, in gleichberechtigten Beziehungen zu leben, trotzdem noch den Managementpart im Alltag einnehmen. So sind es demnach oft die Frauen, die an Geburtstage denken, die Einkaufslisten schreiben, den Sportplan der Kinder kennen usw. Zwar macht der Partner die Hälfte der Arbeit, aber die Frau plant alles – und macht die andere Hälfte der Arbeit. Dies bedeutet, dass die Frau sowohl im Management als auch im operativen Part aktiv ist – und das alles neben der Lohnarbeit. Traditionelle Rollenbilder sahen die Frau zu Hause, den Mann bei der Arbeit. Dies ist heute meist nicht mehr der Fall. Und trotzdem ist es die Frau, die den Haushalt immer noch regeln muss (der Mann nimmt im Haushalt lediglich einen Hilfsjob an). Das ist eine enorme Mehrbelastung neben der Lohnarbeit – und hat natürlich Einfluss auf Konzentration und somit auch Karriere und Bezahlung im Job.

Weitere Statements finden Sie dazu von mir hier:

Merle Becker in der Hessenschau (KLICK)

Alles wird gut – Mein Rückblick auf das OpenTransfer Camp 2019 in Frankfurt

Alles wird gut – Mein Rückblick auf das OpenTransfer Camp 2019 in Frankfurt


Und wieder fand in Frankfurt das sogenannte OpenTransfer Camp statt. Bereits seit sieben Jahren organisiert die Stiftung Bürgermut regelmäßig solche besonderen Treffen. Aber: Was ist das eigentlich genau?

Vergangenen Samstag war ich mit Wertschatz Kommunikation Medienpartner beim OpenTransfer Camp in Frankfurt. Im Social Impact Lab trafen sich Ehren- und Hauptamtliche aus gemeinnützigen Organisationen, Vereinen, Stiftungen oder auch Unternehmen mit dem Ziel sich zu vernetzen. Ganz nach dem Motto: Gutes einfach verbreiten.

Was sind die sogenannten Sessions?

Ein OpenTransfer Camp funktioniert wie ein klassisches BarCamp. Viele Menschen kommen zu einem bestimmten Thema zusammen. Vorbereitet wird erst mal nicht viel: Es gibt keine Keynotes, keine Panels und keine Vorträge. Stattdessen bringen die Teilnehmenden direkt zu Beginn der Veranstaltung ihre Themen ein. Sie entscheiden ganz demokratisch, wofür sie den Tag gerne nutzen möchten.

Der Sessionplan
© opentransfer.de

Um am Beispiel des OTC zu bleiben: Sessions zu den Themen „Social Media im Verein“, „Meditation im Ehrenamt“ oder auch „Skalierung von Projekten“ und „Scrum als Haltung“ wurden angeboten. Eine Session anzubieten bedeutet dabei erst mal nur, ein Thema vorzuschlagen. Dann wird mit Handzeichen abgestimmt, welche Themen es auf den Sessionplan für den Tag schaffen. Die Teilnehmenden suchen sich aus, zu welchen der Themen sie sich austauschen wollen.

Die Sessiongeberin oder der Sessiongeber stellt das Thema dann kurz vor und leitet die Diskussion. 45 Minuten haben die Gruppen Zeit, sich zu dem Thema auszutauschen und gegenseitig Tipps zu geben. Dann gibt es eine kurze Pause und schon geht es in die nächste Session. 

Herausforderungen im Ehrenamt

Die Sessions sind vor allem deshalb hilfreich, weil einem schnell bewusst wird, dass alle Menschen vor ähnlichen Herausforderungen stehen. Dabei ist die Größe der Institution, die Organisation in Form von Ehren- oder Hauptamt sowie das Thema meist irrelevant. Meine Beobachtung: In den meisten Fällen geht es um die Frage: 

„Wie können wir mit wenig Ressourcen und unter Stress stets wertschätzend und auf Augenhöhe zusammenarbeiten und das Beste aus dem Engagement machen?“

Egal ob der Verein über Jahre hinweg Förderungen findet, mehrere Büros in ganz Deutschland hat und regelmäßig in der Presse ist oder ob die Initiative gerade erst von Studierenden gegründet wurde und noch nicht mal einen Webauftritt hat, allen begegnet im Alltag ein ähnliches Problem. Wir verbringen unsere Wochenenden, Feierabende und Mittagspausen mit dem Engagement – aus Überzeugung. Doch nicht immer macht dies Spaß und nicht immer läuft alles reibungslos ab. Wie können Ehrenamtliche wertschätzend zusammenarbeiten, sich gegenseitig motivieren und auch Konflikte gut überstehen? Und wie gehen wir wertschätzend mit Sponsorinnen und Sponsoren um? Wie sagen wir Danke? Wie sorgen wir für ein gutes Teamgefühl? 

© opentransfer.de

Ich habe vor nicht allzu langer Zeit darüber geschrieben, wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Unternehmen motivierter arbeiten. Dabei wird deutlich, dass selbst bezahlte Mitarbeitende einen wertschätzenden Umgang brauchen, um intrinsisch motiviert und langfristig im Unternehmen zu bleiben. Fällt die Bezahlung darüber hinaus weg, gestaltet sich diese Bindung noch schwieriger – und Wertschätzung wird noch zentraler!

Das OpenTransfer Camp hilft dabei, das Rad nicht in jeder Institution neu erfinden zu müssen. Im Austausch lassen sich die Tipps und Tricks der verschiedenen Engagierten sammeln und häufig auch Unterstützende finden, die den Changeprozess anregen. 

Es ist ein schönes Gefühl zu sehen, wie viele Menschen sich zu so vielen verschiedenen Themen engagieren. Bei all den negativen Meldungen, die uns Tag für Tag begegnen ist ein solches OpenTransfer Camp ein Ausgleich, der Hoffnung macht. Und gerade, wenn man sich oft im heimischen Kämmerlein engagiert und tief in den Strukturen des eigenen Vereins steckt, ist es wohltuend zu verstehen, dass die Probleme oft mit größeren Strukturen zusammenhängen. 

Darüber hinaus ist natürlich auch der Vernetzungfaktor bei einem OpenTransfer Camp von großer Bedeutung. Das erste Mal nahm ich 2014 an der Veranstaltung teil und ich habe bis heute spannende Kontakte, die ich an diesem Tag knüpfte.

Ich gehe mit einem Gefühl nach Hause, das ich lange nicht hatte: Alles wird gut.

Sie hätten gerne Unterstützung in Ihrem Verein oder Ihrer Institution zum Thema Kommunikation und Wertschätzung? Ich freue mich, Sie mit Wertschatz Kommunikation zu beraten und an Ihrer Seite zu stehen!

Gerne entwickle ich mit Ihnen eine Strategie, biete Workshops zu dem Thema an und unterstütze Sie im Bereich interne und externe Kommunikation. 

Kontaktieren Sie mich hier (KLICK).

Unternehmen mit Werten und Sinn als Basis der Wirtschaft

Unternehmen mit Werten und Sinn als Basis der Wirtschaft

Meine Vision

Ich glaube an eine Welt, in der wir uns auf Augenhöhe begegnen, voneinander lernen und mit unserer Umwelt wachsen. Ich glaube an gute Kommunikation. Jeden Tag aufs Neue stelle ich mir die Frage, in was für einer Welt wir leben wollen. Ich möchte wissen, in was für einer Welt wir arbeiten wollen. Und ich frage die Menschen um mich herum, was wir dafür tun, damit diese Welt auch zukünftig unseren Vorstellungen entspricht.

Unsere Lebens- und Arbeitswelt hat sich in den vergangenen Jahren drastisch geändert und befindet sich immer noch in einem rasanten Veränderungsprozess. Die Medien und auch die Wissenschaft sprechen von den Millennials oder alternativ auch von den Generationen X, Y und Z. Mal wird den Menschen, die seit ca. 1980 geboren wurden, vorgeworfen, sie seien arbeitsfaul und würden Freizeit der Karriere vorziehen. Dann heißt es wieder, dass die „jungen Wilden“ unsere Arbeitswelt umwälzen werden – voller Tatendrang die Welt zu verändern. Diese Diskussion und die Vorurteile gegen die Wünsche der Jungen zeigt sich nicht nur in der Arbeitswelt, sondern auch zum Beispiel in dem Diskurs rund um #FridaysForFuture.

Fragen nach dem Sinn

Die Freiheitsgrade steigen in unserer Gesellschaft – und das lässt sich generationenübergreifend feststellen. Ein dickes Gehalt und eine Konzernkarriere über 40 Jahre bis zur Rente reizt viele Menschen nicht mehr. Immer mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stellen sich die Frage nach dem Sinn: 

  • Was mache ich in meinem Beruf? Welchen Wert habe ich als Mensch und als Persönlichkeit für das Unternehmen?
  • Wer bin ich, wenn ich mich nicht an Abschlüssen, Karriereposten und Gehältern messe? Möchte ich mich tagtäglich in den Arbeitnehmermantel zwängen und meine Persönlichkeit zu Hause lassen?
  • Welchen Einfluss habe ich als Mensch und Arbeitskraft auf die Gesellschaft? Kann ich guten Gewissens jeden Tag für ein Unternehmen ohne Sinn arbeiten, wenn es soviel in der Gesellschaft und Umwelt gibt, was dringend meine Aufmerksamkeit benötigt?
  • Soll das alles sein oder suche ich in wenigen Monaten oder Jahren wieder nach einer neuen Anstellung?

Oftmals stellt der Moment des Infragestellens auch einen Moment der Ernüchterung dar. Denn immer wieder zeigen die Antworten, dass die Menschen in ihren Berufen austauschbar sind, ihre Arbeitszeit mit unnötigen Aufgaben verschwenden und dass ihre Unternehmen ohne Sinn und Werte mit reinem Profitinteresse arbeiten.

Langfristig führt dies zu Unternehmen ohne Magie. Unternehmen, in denen graue Menschen sitzen, die ihre Zeit abarbeiten und nur für den Gehaltscheck arbeiten (Ich denke da sofort an „Momo“ von Michael Ende und an die grauen Herren mit Aktenkoffern). Dabei spielt das Ergebnis ihrer Arbeit keine Rolle, denn sie wissen gar nicht, was das Ergebnis bedeutet oder aber, es interessiert sie nicht, weil es wert- und sinnlos ist. 

Für Unternehmen ist kaum etwas teurer und unwirtschaftlicher als unmotivierte Mitarbeitende 

In was für einer Welt wollen wir leben? Persönliche Gedankengänge

Die Zukunft ist vielleicht unsicherer denn je. Der Klimawandel ist kein Gespenst am Horizont mehr, sondern zeigt sich tagtäglich überall auf der Welt. Die großen Errungenschaften der internationalen Politik stehen auf wackeligen Beinen und die Gesellschaft droht sich in vielen Staaten dieser Welt zu spalten. Als Unternehmen nun nur in Zahlen zu denken und davon auszugehen, dass die Wirtschaft auch in den kommenden Jahrzehnten stetig wachsen wird, ist nicht nur naiv, sondern gefährlich. 

Ich träume von einer Welt, in der Unternehmen sich nicht nur als Teil des Wirtschaftssystems verstehen, sondern auch als Teil der Gesellschaft. Langfristig lässt sich Wirtschaftlichkeit nur mit sozialer sowie ökologischer Verantwortung halten. Man muss sich nur die Liste der Unternehmensskandale der vergangenen Jahre ansehen, um zu realisieren: Bei fast allen Skandalen ging es um den Verstoß von sozialen oder ökologischen Werten. Und alle führten sie zu großen wirtschaftlichen Einbußen. 

Ich glaube an eine Welt, in der wir uns auf Augenhöhe begegnen, voneinander lernen und mit unserer Umwelt wachsen. Ich glaube an gute Kommunikation. Denn nur, wenn wir uns austauschen, uns wertschätzen und von Hierarchien unabhängig miteinander sprechen, können wir den Herausforderungen der heutigen Zeit begegnen. 

Um über das Thema Unternehmensverantwortung nicht nur zu bloggen, sondern es auch aktiv anzustoßen, habe ich Wertschatz Kommunikation gegründet. Ich helfe Unternehmen dabei, sich sozial und nachhaltig aufzustellen. Anhand folgender Punkte lässt sich schon innerhalb weniger Wochen ein wertebasierter Umgang im Unternehmen und auch nach außen etablieren:

  • Status Quo: Welche Werte werden bereits gelebt und wo ist noch Luft nach oben?
  • Teambuilding: Nichts ist wichtiger als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich wertgeschätzt fühlen. Ein Team, das an einem Strang zieht und denn Sinn der eigenen Arbeit erlebt, kann Großes bewirken.
  • Interne Kommunikation: Viel zu oft konzentrieren sich Unternehmen auf die externe Kommunikation. Doch ohne eine wertschätzende interne Kommunikation werden Teambuildingprozesse und Unternehmenswerte nicht langfristig und nachhaltig von allen Mitarbeitenden geteilt.
  • Externe Kommunikation: Seien Sie ein Vorbild und sprechen Sie über Ihre Werte! Sie werden sehen, dass Sie Mitarbeitende, Kunden und Netzwerkpartner anziehen, die Ihre Werte teilen. Gemeinsam haben Sie den gesellschaftlichen Einfluss, den Sie sich wünschen!

Sie wollen mehr zu meiner Methode erfahren? Ich freue mich, von Ihnen zu hören!
Kontaktieren Sie mich HIER.

Wie motiviere ich meine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen?

Wie motiviere ich meine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen?

Oder: Warum Nachhaltigkeit kein Buzzword sein sollte

„Ach, meine Mitarbeiter denken nie mit!“ oder „Wieso kommt Frau Müller jeden Tag zu spät?“ genauso wie „Ich biete ein so schönes Fortbildungsprogramm an, aber es meldet sich niemand dafür an.“ So oder so ähnlich höre ich es immer wieder von meinen Kundinnen und Kunden. Sie haben das Gefühl, dass ihr Team im Unternehmen nur Zeit absitzt, aber nicht motiviert bei der Sache ist. Natürlich fällt es da leicht, den Mitarbeitenden die Schuld in die Schuhe zu schieben. Doch wer ein Team wirklich gut führen will, der muss bei sich selbst anfangen.

Denn die Einstellung und Arbeitsmoral der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hängt sehr oft mit ihrer (Un-)zufriedenheit im Unternehmen zusammen. Studien besagen, dass in Deutschland 14 Prozent aller Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer innerlich bereits gekündigt haben, obwohl sie jeden Tag an ihren Arbeitsplatz kommen. Dass genau diese Menschen sich nicht voller Leidenschaft und Tatendrang für die Interessen des Unternehmens einsetzen, ist da wohl nicht überraschend. Aber was sollte man als Vorgesetzter da tun?

1. Reden Sie drüber

Nun, was tun Sie, wenn Sie merken, dass es einem Freund nicht gut geht? 
Wahrscheinlich fragen Sie ihn, was los ist, und reden mit ihm über seine Probleme. Leider sehe ich immer wieder, dass es an dieser zwischenmenschlichen Kommunikation in Unternehmen fehlt oder sie falsch angegangen wird. Warten Sie nicht das institutionalisierte, förmliche Jahresgespräch ab, sondern sprechen Sie regelmäßig und informell mit Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.  Stellen Sie Fragen: „Was genau machen Sie Ihrer Meinung nach im Unternehmen? Wie tragen Sie zum Unternehmen bei? Wieso sind sie wichtig?“

2. Machen Sie sich Gedanken über Ihre Gesprächsführung

Gerade in hierarchischen Unternehmen wird die Frage: „Arbeiten Sie gerne hier?“, wenn Sie vom Chef oder von der Chefin kommt, wahrscheinlich nicht immer ehrlich beantwortet. Nehmen Sie sich also Zeit und sprechen Sie vor allem auch über einen längeren Zeitraum die Themen, die Ihnen auf der Seele brennen, immer wieder an. Und sollte es zu einem Vorfall kommen (etwa, dass die oder der Mitarbeitende wiederholt zu spät kommt), dann nutzen Sie diesen, um das Thema direkt anzusprechen: „Sie kommen oft zu spät, woran liegt das? Sind für Sie andere Arbeitszeiten sinnvoller? Können wir diesbezüglich eine Regelung finden, mit der wir alle glücklich sind?“

3. Seien Sie transparent

Das Unternehmen steht vor Herausforderungen? Dann teilen Sie diese Ihrem Team mit! Viele Ihrer Mitarbeitenden werden viel spezifischer in den einzelnen Aufgabenbereichen denken als Sie es können. Vielleicht kommen Sie gemeinsam mit dem Team auf andere Lösungsansätze. Zudem hilft es den Mitarbeitenden zu verstehen, wieso eine Phase evtl. etwas stressiger verläuft als andere. 

4. Denken Sie nicht in Hierarchien und schenken Sie Vertrauen

Dies leitet sich direkt aus Punkt drei ab. Beziehen Sie das Team mit ein, lassen Sie es Teil des Unternehmens werden. Nur, wer informiert ist, wird auch ein Interesse daran haben, das Unternehmen voranzubringen. Nur dann nähert man sich dem Traum eines selbstgeführten Unternehmens. Schenken Sie Ihren Mitarbeitenden Vertrauen! Menschen brauchen das Gefühl, etwas zu bewirken.

5. Beobachten Sie Ihr Team

Wie arbeitet das Team zusammen? Gibt es Konflikte? Gibt es ein Gemeinschaftsgefühl, oder haben sich Untergruppen gebildet, die vielleicht sogar in Konkurrenz zueinander stehen? Als Führungskraft tendiert man häufig dazu, das Teams als Blackbox zu betrachten, was Gefahren mit sich bringt. Unbemerkte Konflikte im Team können ein wichtiger Grund für unmotivierte und unzufriedene Mitarbeitende sein. Holen Sie sich dafür ggf. jemanden Externes hinzu – ein Teambuilding-Nachmittag im Kletterpark reicht in den meisten Fällen nicht aus. 

Warum Nachhaltigkeit kein Buzzword sein sollte
Warum Nachhaltigkeit kein Buzzword sein sollte

6. Sorgen Sie für Sinn in der Arbeit

Studien zeigen, dass Menschen generationenübergreifend mehr Freiheitsgrade in der Arbeitswelt einfordern und sich mit den Werten der Unternehmen und dem Sinn Arbeit identifizieren wollen. Nun fällt es einer sozialen Organisation sicherlich leichter, den gesellschaftlichen Sinn ihrer Arbeit zu transportieren, als einem mittelständischen Zuliefererunternehmen. Trotzdem sollte sich jedes Unternehmen mit seinen Werten und seinem Einfluss auf Umwelt und Gesellschaft auseinandersetzen. Und meist lässt sich sehr viel mehr Engagement finden als auf den ersten Blick ersichtlich. Es fehlt nur zu oft an der Kommunikation. Auch CSR-Projekte, die in einem gewissen Verhältnis zum Alltag des Unternehmens stehen, können viel bewirken!

Der Prozess der Wertefindung und -implementierung lässt sich nicht von der Führungsebene alleine, sondern nur mit dem gesamten Team umsetzen. Oftmals lässt sich in puncto Nachhaltigkeit noch einiges optimieren, was sehr motivierend für alle Beteiligten sein kann. Zudem gibt dies eine gute Grundlage für die externe Kommunikation und das Employer Branding

Langfristig kann das helfen, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu finden und zu binden, die die gleichen Werte, Ziele und Visionen mitbringen.

Also: Kommunikation und Sinn

Meine Erfahrung ist, dass sich Unzuverlässigkeit von Mitarbeitenden in den meisten Fällen auf eine Unzufriedenheit und Resignation zurückführen lässt. Oftmals zeigt sich ein Problem in der Kommunikation zwischen Führungsebene und Team, aber auch teamintern. Es gilt also, diese Kommunikationsprobleme zu lösen, die bestehenden Hierarchien zu lockern und den Mitarbeitenden Verantwortung zu geben.

Menschen, die Sinn in ihrer Arbeit sehen und merken, dass sie gesellschaftlich etwas bewirken, werden auch motivierter zur Arbeit gehen. Und erst dann lassen sich die vielversprechenden Methoden aus dem Bereich New Work wirklich anwenden (etwa flexible Arbeitszeiten, Home Office oder Selbstführung). Dies wiederum unterstützt die Motivation der Mitarbeitenden noch mehr!

Und was ist wichtiger, als intrinsisch motivierte, innovative Mitarbeitende?

Um über die Themen Unternehmensverantwortung, wertebasiertes Employer Branding und vor allem Mitarbeitermotivation nicht nur zu bloggen, sondern die Veränderung auch aktiv anzustoßen, habe ich Wertschatz Kommunikation gegründet. Ich helfe Unternehmen dabei, sich sozial und nachhaltig aufzustellen und einen wertschätzenden Umgang intern und extern aufzubauen.
Sie brauchen Hilfe im Teambuilding und/oder Employer Branding?

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New Work geht nicht ohne Sinn

New Work geht nicht ohne Sinn

Ich durfte für GoodJobs bloggen! In einem kurzen Artikel schreibe ich davon, dass New Work meiner Meinung nach niemals ohne geteilte Werte und einen gemeinsamen Sinn im Unternehmen funktionieren kann.

Mitarbeitende müssen ihren Job gerne und bestenfalls mit Leidenschaft machen. Sie müssen verstehen, wieso sie bestimmte Aufgabenschritte übernehmen sollen und welche großen und langfristigen Ziele das Unternehmen verfolgt. Jede Person muss sich angenommen fühlen und wissen, welche wichtige Rolle sie im Unternehmen wahrnehmen. Nur dann können sie sich auch selbst führen und die eigenen Interessen können mit denen des Unternehmens in Einklang gebracht werden. Klingt kompliziert?

HIER gehe ich noch mal genauer darauf ein!

Zwischen Rabenmutter und Helikoptermom – Wie man es niemandem recht machen kann – und sollte

Zwischen Rabenmutter und Helikoptermom – Wie man es niemandem recht machen kann – und sollte

Seit 15 Monaten bin ich nun Mutter. Eigentlich schon länger, wenn man die neuneinhalb Monate der Schwangerschaft hinzuzählt. Mir wurde vorher schon immer erzählt, dass man sich als Schwangere und schließlich auch (und wohl besonders) als Mutter für Dinge rechtfertigen muss, die vorher überhaupt kein Thema waren („Was? Du isst Fleisch?“, „Was? Du isst kein Fleisch?“, „Was? Du machst Sport?“, „Was? Du machst keinen Sport?“). Ich stellte mir vor, dass ich die Menschen, die solche Kommentare von sich geben und solche Fragen stellen, oder auch einfach nur solche Blicke werfen, zur Rede stellen würde und das Ganze ausdiskutieren würde. Ab dem gefühlten 2000. Mal wurde ich jedoch müde und ließ es einfach über mich ergehen. Aber es gibt ein Thema, das mich wurmt und mit dem ich nicht gut klarkomme. 

In Deutschland hat man als Eltern die Möglichkeit, maximal 14 volle Monate Elterngeld zu bekommen. Während dieser 14 Monate erhält man maximal 67% des bisherigen Einkommens. Bemessen wird dies im Normalfall an den 12 Monaten vor der Geburt. In meinem Fall war es das Kalenderjahr vor der Geburt, weil ich teilselbstständig war. Es ist super, dass es in Deutschland das Elterngeld gibt und dafür bin ich sehr dankbar. Soweit so gut. 

Für meinen Mann und mich war klar, dass wir beide im Anschluss an diese Elternzeit wieder arbeiten gehen werden. Alles andere wäre finanziell auch überhaupt nicht möglich gewesen. Und trotzdem habe ich das Gefühl, beständig als „Rabenmutter“ abgestempelt zu werden, weil mein einjähriges Kind „fremdbetreut“ wird. Alleine das Wort bringt mich in Rage. Unsere Krippe hat sich enorm viel Zeit für die Eingewöhnung genommen, mein Kleiner freut sich jeden Morgen auf die Stunden mit anderen Kindern und mit den (ihm vertrauten) Erzieherinnen. Die Menschen sind ihm nicht fremd. Und wenn ich ihn am frühen Nachmittag wieder abhole, dann freuen wir uns beide und verbringen den Rest des Tages gemeinsam.

Vorher war es für mich zerreißend. Ich habe versucht, die Arbeit und die Kinderbetreuung mehr oder weniger parallel laufen zu lassen. Wenn mein Sohn schlief, hetzte ich an den PC und versuchte, alles abzuarbeiten. Oft klingelte mein Telefon, während er spielte und ich versuchte, auf ihn aufzupassen, während ich mit Kundinnen und Kunden sprach. Bei vielen Meetings war er dabei. Jetzt hole ich ihn aus der KiTa und wir genießen die freie Zeit zusammen.

Kommentare wie „In dem Alter ist er dann schon ganz alleine?“, oder „Er braucht doch seine Mutter“ tun weh und sind auch einfach falsch. Aber auch die erstaunten Blicke der Erzieherinnen, wenn sie merken, dass ich immer mit Laptoptasche zum Abholen komme und nicht spontan doch mal zwei Stunden eher kommen kann. Sie gehen wohl davon aus, dass ich den Vormittag zum Kaffeetrinken nutze.

Zwischen Rabenmutter und Helikoptermom.
Wie man es niemandem rechtmachen kann – und sollte.

Doch es gibt auch noch Druck aus einer anderen Richtung. Mein Sohn hat zwei Nationalitäten. So bekommen wir auch eine Menge Einfluss aus Frankreich. Hier ist es vollkommen normal, dass Kinder mit drei Monaten in Krippen oder zu Tagesmüttern kommen. Die Mütter beginnen direkt wieder Vollzeit zu arbeiten. Abgesehen davon, dass ich das aus gesundheitlichen Gründen gar nicht gekonnt hätte, ist dies ein vollkommen anderes Phänomen. Hier höre ich: „Aber der Kleine muss doch mal unter Menschen!“, „Die KiTa ist wichtig für die soziale Entwicklung.“ und „Du kannst doch nicht ein ganzes Jahr nichts tun!“. In Frankreich wäre ich also eine Glucke. Eine Helikoptermama, die ihr wenige Wochen altes Kind nicht schreien ließ und es immer noch gerne im Arm einschlafen lässt. 

Für mich wird dabei so deutlich, wie kulturell geprägt die Thematik ist und wie viele Menschen fest davon überzeugt sind, dass ihre Sicht der Dinge das Non-Plus-Ultra ist. Es fehlt dabei vollkommen an Vertrauen in die Mutter-Kind-Beziehung und an Toleranz. Aber auch Fakten werden einfach ausgeblendet: Viele Menschen können es sich schlichtweg nicht leisten, dass nur ein Elternteil arbeiten geht. Ich habe auch Freundinnen und Freunde, die so wenig Elterngeld bekommen, dass sie selbst die 14 Monate nicht zu Hause bleiben können. Sie sind doch trotzdem keine schlechten Eltern! 

Vor einigen Tagen veröffentlichte eine Mama-Bloggerin ein Kochbuch. Ich folge der Instagrammerin schon lange, ihr Kind ist kaum älter als meines. Sie ist Journalistin und macht viele tolle Projekte, hat auch während der Elternzeit viel gearbeitet und scheint sich den Alltag mit ihrem Mann super aufzuteilen. Umso überraschter war ich, als ich in ihrem Kochbuch einen Satz las, der diesem ähnelt: „Wir wollen nicht nur eine gute Partnerin, gute Mutter und Hausfrau sein, sondern auch immer frisch kochen!“.Dieses Bild entsprach gar nicht dem, welches sie bisher von sich preisgab. Ich schrieb ihr darauf hin und fragte, wieso es nur um Mütter und nicht um Väter geht. Und wieso sie nicht erwähnt, dass sie auch eine tolle Geschäftsfrau und Journalistin ist. Sie erzählte mir daraufhin, dass sie in Bezug auf ihre Zielgruppe vorsichtig ist. Es könnten sich Frauen, die zu Hause bleiben, schlecht fühlen.

Mich hat das sehr nachdenklich gemacht. Sicherlich hat sie recht. Aber wie kann es sein, dass wir uns da so vergleichen und so beeinflussen lassen? Wieso müssen wir ein Bild aus den 50er Jahren abgeben, dass sich praktisch heutzutage schlichtweg nicht mehr umsetzen lässt?

Was läuft da eigentlich gerade alles schief in Bezug auf unser Mütter- und Väterbild? Und wieso können wir es nicht einfach mal tolerieren, akzeptieren und vielleicht sogar toll finden, wie andere Menschen Eltern sind und trotzdem das Leben weiter irgendwie schaukeln – ob zu Hause oder im Job? Oder, um es in den Worten von Meaghan O’Connell zu schreiben:  

The problem, of course, is that we are different people, with different babies, and different values, different incomes, and different circumstances.”

Ach, eins noch: Das Wort „Rabenmutter“ gibt es im Französischen nicht. Die „Glucke“ allerdings schon.  

Weiblich, unter 30 und Chefin: Melusine Reimers zum Thema Führung

Weiblich, unter 30 und Chefin: Melusine Reimers zum Thema Führung

Im letzten Beitrag habe ich bereits mit Melusine Reimers, Gründerin und Philosophin, über New Work und Leidenschaften gesprochen. An dieser Stelle stelle ich ihr nun noch einige Fragen zu ihrer Vorstellung von Führung und auch zu ihrer Sicht auf die Position von Frauen im Management.

Du hast uns HIER bereits erzählt, dass Du an einer agilen Struktur in Deinem Unternehmen arbeitest und deshalb vor allem Menschen suchst, die mit Leidenschaft für das Thema von READYMADE arbeiten. Was lässt Dich nachts wach liegen in Bezug auf Dich als Führungsperson? Wo hast Du das Gefühl, dass Du noch mal an Dir persönlich arbeiten und über Dich heraus wachsen musst?

Melusine Reimers von READYMADE (© READYMADE).

Ich übersehe gerne, dass das Abgeben von Aufgaben nicht bedeutet, dass man direkt weniger Arbeit hat. Zuerst müssen Menschen eingearbeitet und eingeführt und natürlich auch irgendwie kontrolliert werden. Dabei verstehe ich die Kontrolle im Sinne von „Wie kommen sie zurecht? Wo brauchen sie noch Hilfe?“. Diese Vorstellung, dass die Aufgabe weg ist, wenn man sie abgegeben hat, ist einfach falsch. Führung ist halt auch eine eigene Aufgabe. Hinzu kommen gemeinsame Teamlunches und Meetings. Vorher, als wir noch zu zweit waren, konnte ich arbeiten, wo ich wollte – prinzipiell auch von zu Hause aus, das geht nun nicht mehr. Diesen neu hinzukommenden Zeitaufwand muss ich mir immer wieder in den Sinn rufen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist es, die Mitarbeitenden nicht zu überfordern, sondern sie bei Problemen aufzufangen und da die richtigen Fühler für zu haben. Auch das bedeutet für mich ein Prozess, etwas, das ich jeden Tag lernen muss.

Wir versuchen diesen Problemen zu begegnen, in dem wir einen Zusammenhalt schaffen. So haben wir zum Beispiel einen gemeinsamen Kick Off veranstaltet, in dessen Rahmen wir alle zusammen drei Tage weg waren. Wir haben in einem Gebäude geschlafen, gemeinsam Freizeitaktivitäten durchgeführt und natürlich auch zusammen gegessen und gearbeitet. Das empfand ich als unheimlich wichtig, denn dadurch konnte ein Wir-Gefühl aufgebaut werden. Jetzt läuft nicht mehr nur alles über die Geschäftsführung, sondern die Menschen sprechen untereinander miteinander.

Wie wärst Du gerne als Führungsperson? Wie würdest Du Dir wünschen, dass Deine Mitarbeitenden Dich in zwei Jahren beschreiben?

READYMADE bietet das erste Sharingkonzept für Wohnmöbel in Deutschland. (© READYMADE)

READYMADE bietet das erste Sharingkonzept für Wohnmöbel in Deutschland (© READYMADE).

Ui, das ist eine schwierige Frage, da geht es ja um mich! (lacht) Ich würde gerne als eine Führungsperson wahrgenommen werden, die fair ist und sehr fähig. Trotzdem möchte ich menschlich erreichbar und wahrnehmbar sein. Ich möchte keine dieser Führungspersonen sein, die zwar alles organisieren und einen super Durchblick haben, aber bei denen niemand anderes versteht, was sie genau machen. Transparenz ist mir wichtig. Ich möchte befähigen und Möglichkeiten geben. Mein Ziel ist es, meinen Mitarbeitenden die Chancen zu eröffnen, sie selbst zu sein und über sich selbst hinaus zu wachsen. Ich möchte nicht nur Wege vorgeben und Menschen sagen, dass sie dies gehen sollen. Hoffentlich kann ich meinen Mitarbeitenden das Handwerkszeug an die Hand geben, ihre eigenen Wege zu gehen.

Und was noch hinzukommt: Ich möchte niemals alleinige Führungsperson sein. Man hat einfach verschiedene Persönlichkeiten, die sich in Doppelspitzen ergänzen können. So bin ich bei READYMADE eher der harte Part, fordere eher und spiele vielleicht mehr den Bad Cop. Julian stellt die Harmonie her und das empfinde ich als super hilfreich.

Du bist unter 30, weiblich und gründest das zweite Mal. Wie siehst Du Dich zwischen all den anderen Gründerinnen und Gründern, Managern und Führungspersonen. Wie nimmst Du Dich wahr und wie wirst Du wahrgenommen? Wünscht Du Dir manchmal ein Mann zu sein?

Das ist sehr phasenabhängig. Gerade am Anfang hat man es als Frau sehr viel schwieriger. Zum einen wird ein bestimmter Habitus vorausgesetzt, den ich einfach nicht habe. Sicherlich kann man den als Frau auch haben, aber ich habe ihn nicht. Dieses „Ich bin absolut überzeugt von mir selbst und mache alle platt“, das ist nicht meins. Am Anfang war es für mich sehr schwierig, die Menschen davon zu überzeugen, was ich kann. Ich erlebe es leider immer wieder, dass ich als Frau neben meinem Co-Founder von READYMADE in die Assistenzrolle gesteckt werde. Ich erinnere mich an eine bestimmte Situation auf einer Messe. Ein anderer Geschäftsführer eines Unternehmens kam zu uns und stellte sich Julian vor und sagte mit Blick zu mir: „Ach schön, die Assistenz ist auch da!“. Manchmal ist das auch subtiler, da wird man in Gesprächen einfach nicht angesehen, sondern nur der männliche Part. Ich denke, da muss man sich als Frau dann noch mal ein wenig mehr sammeln und sich mehr anstrengen, um erhört zu werden.

Melusine Reimers während einer Performance im Rahmen der IMM (© READYMADE).

Auf der anderen Seite erlebe ich auch, dass gerade mittelständische Geschäftsführer mich sehr ernst nehmen und schätzen. Da ist es häufig eher so, dass weibliche Führungskräfte mir bissig begegnen. Das finde ich unglaublich schade, denn mir ist Solidarität unter Frauen unglaublich wichtig. Gerade, weil es so wenige Frauen in dem Bereich gibt. Ich freue mich immer über jede Frau, die mir in dem Rahmen begegnet und bin dann umso enttäuschter, wenn ich die Bissigkeit erleben muss. Wir sollten uns doch gegenseitig unterstützen!

Aber ich habe mir tatsächlich noch nie gewünscht, ein Mann zu sein. Ich habe schließlich auch einen Haufen Probleme nicht, die man als Mann hat. Immer wieder muss ich diese typischen männlichen Vergleiche wahrnehmen – besonders auf halboffiziellen Veranstaltungen. Ich kann auf diese Schiene nicht angesprochen werden, das hat aber auch zur Folge, dass man als Frau auch irgendwie intransparenter bleibt. Man kommt nicht auf diese Männerbünde-Ebene.

Wie wollen wir arbeiten? Melusine Reimers zu Neuer Arbeit in einer alten Welt

Wie wollen wir arbeiten? Melusine Reimers zu Neuer Arbeit in einer alten Welt

Die Gründerin und Philosophin Melusine Reimers zu neuen Arbeitskonzepten und ihren Herausforderungen

Ich hatte das Glück, Melusine Reimers im Jahr 2013 als Co-Founderin von academic experience Worldwide an meiner Seite zu haben. Mittlerweile ist sie CEO von READYMADE und promoviert in der Philosophie. Mit mir sprach sie per Voice Mail über die Themen New Work, Führung im modernen Verständnis und Leidenschaft.

Melusine, wie kamst Du dazu, READYMADE zu gründen?

Gegründet habe ich READYMADE gemeinsam mit Julian Kordt. Julian ist Tischler, ich habe Philosophie studiert. Schon während des Studiums habe ich ja mit Dir zusammen die NGO academic experience Worldwide e.V. gegründet, die jetzt gerade ihr fünfjähriges Bestehen feiert. Diese Erfahrung hat mich infiziert: Ich wollte nur noch auf diese Art und Weise arbeiten. Deshalb hatte ich gar keine Wahl: Ich musste wieder gründen!

Was genau meinst Du denn mit „auf diese Art und Weise arbeiten“?

Nun, ich war noch Studentin als wir aeWorldwide gegründet haben. Nach meinem Abschluss war ich davon überzeugt, dass ich mir jetzt – wie alle anderen – einen festen Vollzeitjob suchen, ein festes Gehalt und genau abgezählte Urlaubstage haben würde. Ich träumte davon, meine 40 Wochenstunden abzuarbeiten und danach meine Freizeit genießen zu können. In einer Stiftung meinte ich genau das gefunden zu haben. Jedoch hielt ich es kaum mehr als ein paar Monate aus. Erst als ich es nicht mehr hatte, wurde mir klar, was ich brauchte: eine gewisse Autonomie. Ich möchte Entscheidungen treffen können, die für mein Projekt relevant sind. Das bedeutet für mich, dass ich den Projekten entsprechend schnell und agil agieren kann, sodass meine Arbeit auch wirklich weiterhilft. Ich glaube einfach nicht daran, dass Vorgesetzte, die meist weit weg von den Projekten arbeiten, besser Entscheidungen treffen können als die Menschen, die sich als Expertinnen und Experten jeden Tag mit den Problemen auseinandersetzen. Wenn Entscheidungen immer erst x Hierarchiestufen hoch und dann wieder runter klettern müssen, dann behindert das das ganze Unternehmen. Für mich war diese Arbeitsweise nach dem Studium vollkommen neu – und das obwohl ich schon so viel während meines Studiums gearbeitet habe. Aber bei aeWorldwide haben wir mit sehr flachen Hierarchien gearbeitet und waren als Gründerinnen auch wirklich froh, wenn die Mitarbeitenden mitgedacht und eigenständig Entscheidungen getroffen haben. Das ganze kann und soll dabei natürlich im Dialog stattfinden, das ist ja auch der Kern von agilem Arbeiten: die Transparenz.

Mir wird bis heute nicht klar, wieso Organisationen anders arbeiten. Ich sehe den Sinn nicht, dass es einerseits Menschen gibt, die Entscheidungen treffen und andererseits solche, die sie umsetzen. In der Start-Up-Szene habe ich dann zum Glück noch mal bestätigt bekommen, dass es auch anders geht. Es gibt viel weniger spezialisierte Mitarbeitende, sondern eher Allrounder mit Fokus. Aber dadurch können alle Menschen sich immer auch in alle Themen mit einarbeiten und sehr schnell reagieren. Mein Eindruck ist, dass dies dazu führt, dass die Mitarbeitenden viel stärker von Eigenmotivation geprägt sind. Da guckt niemand auf die Uhr, ob es endlich 17 Uhr ist und er oder sie Feierabend machen kann. Es geht darum, die Projekte bis zum Ende umzusetzen und das mit Herzblut – ohne dabei von Vorgesetzten ausgebremst zu werden, die plötzlich doch einen anderen Fokus setzen wollen.

Ich sehe dabei eine erhöhte Effizienz, aber auch mehr Autonomie und Eigenständigkeit und dadurch auch mehr Leidenschaft. All das kommt dem Unternehmen doch zu Gute!

Das klingt spannend! Aber ist das denn wirklich auf alle Unternehmen übertragbar?

Melusine Reimers © Karsten Eichhorn

Ich glaube schon, dass das für jede Branche und jedes Projekt möglich ist. Natürlich ist es einfacher, so etwas bei einer Neugründung umzusetzen. Du kannst die Mitarbeitenden danach auswählen und die richtigen Mitarbeitenden wählen Dich aus. Bei einem bestehenden Unternehmen mit stabiler Belegschaft ist das sicherlich eine größere Herausforderung zu sagen: „So, wir machen jetzt alles anders!“ Dafür sind sehr viele kleine Prozesse notwendig. Es gilt erst mal zu verstehen, dass Arbeit einen enormen Teil unseres Lebens einnimmt und wir unsere Persönlichkeit nicht einfach so zu Hause lassen können. Wenn es um New Work geht, dann hat das auch immer ganz viel mit den Persönlichkeiten der einzelnen Mitarbeitenden zu tun. Der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin muss also in der Lage sein, all diese Persönlichkeiten mit an den Tisch zu holen und Teil des Changeprozesses werden zu lassen. Natürlich bringt das Risiken mit sich, aber nicht nur auf unternehmerischer Seite. Oftmals wird an New Work kritisiert, dass das ganze Subjekt mit seiner Persönlichkeit plötzlich Teil des kapitalistischen Lohnarbeitsprozesses werden soll und verwertet wird. Ich denke aber, dass unser Arbeitsmodell von mindestens 40 Wochenstunden uns quasi dazu zwingt, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, was unsere Persönlichkeit in der Zeit macht. Ich habe für mich festgestellt, dass ich mein privates Ich ungern so viele Stunden meines Lebens im Schrank lassen möchte und dann nur abends für vier Stündchen wieder raus hole. Trotzdem zeigt sich, was das für ein schwieriger Prozess in Unternehmen ist und wie behutsam man damit umgehen muss. Nicht alle Menschen wollen so arbeiten.

Du sprichst die Themen Herzblut und Leidenschaft an. Ich bezweifle, dass alle Lohnarbeitsstellen so viel Sinn bieten können, dass die Menschen wirklich jeden Tag leidenschaftlich arbeiten. Ist das nicht auch ein großer Vorteil Eures Themas „Nachhaltigkeit“?

Klar haben wir da einen großen Vorteil mit einem solchen Thema und in der Start Up-Szene! Auch der Reiz „Klappt das jetzt?“ bei einer Neugründung passioniert natürlich. Wir locken dadurch ganz andere Leute an.

Aber ich glaube, dass auch bestehende Unternehmen mit bestimmten Themen motivieren können. Etwa mit dem Team! Ich habe eben über den großen Teil des Lebens gesprochen, den wir bei der Arbeit verbringen. Natürlich ist es viel schöner, diese Zeit mit einem netten Team zu verbringen, mit dem man viel teilt. Früher, wenn ich in der Schule den ganzen Tag mit meinen Freunden verbracht habe, war der Unterricht fast schon nebensächlich und ich bin irgendwie gerne hingegangen, weil ich meine Freunde sehen wollte. Es gilt also menschliche Verbindungen im Team herzustellen, die über Small Talk hinausgehen. Das heißt für Führungskräfte auch, sich die Frage zu stellen: „Was habe ich hier für ein Team? Passen die Leute zusammen?“ Das Verständnis für Persönlichkeit sollte also auch Teil von Bewerbungsgesprächen sein. Das kann unter Umständen bedeuten, Fragen zu stellen wie: „Was hören Sie gerne für Musik?“. Es müssen zudem Räume geschaffen werden, in denen sich die Menschen entspannt begegnen können.

Ein anderer Anreiz ist auch das Thema „Standort“. Wir arbeiten mit ReadyMade zum Beispiel in einem sehr großen Coworking-Space. Hier werden immer wieder Räumlichkeiten von großen Unternehmen angemietet. Ganze Teams werden einfach mal in eine andere Umgebung gesetzt, um Abwechslung und neue Denkräume zu schaffen.

Studien zeigen aber auch, dass Weiterbildungen zentral sind. Führungskräfte sollten den Mitarbeitenden ermöglichen, sich auf Konferenzen, Barcamps, in Seminaren oder Ähnlichem zu vernetzten und fortzubilden. Auch ruhig mal über den eigenen Arbeitsradius hinaus. Es geht darum, Teil der Diskurse zu werden, die im weitesten Sinne mit den Fachthemen zu tun haben. Zu oft werden leider nur die Führungskräfte zu Fortbildungen geschickt.

Was würdest Du Führungskräften aus klassischen Unternehmen raten, die Lust haben, sich auf New Work einzulassen, jedoch im Team dafür keinen Rückhalt finden? Kommen die Ideen da nicht an ihre Grenzen?

Unser Interview via Voice Mail

Ist man nicht gerade dafür Führungsperson, um sich in solchen Momenten etwas auszudenken? Sicherlich ist es kein gutes Mittel, dann einfach die Belegschaft auszutauschen. Ich glaube, dass jeder Mensch durch etwas zu motivieren ist, das außerhalb von Urlaub und Geld liegt. Und wenn es wirklich an den finanziellen Bedingungen liegt, dann gibt es auch fortschrittliche Führungskräfte, die selbst gewählte Lohn- und Urlaubsstrukturen einführen. Diese plötzliche Eigenständigkeit kann sehr motivierend sein. Bisher gibt es meines Wissens auch noch kein Unternehmen, welches das eingeführt hat und in welchem die Mitarbeitenden plötzlich nur noch im Urlaub sind. Ganz im Gegenteil wird den Menschen plötzlich klar, was das für das Unternehmen und somit auch ihre Stelle bedeutet. Es ist ja sehr einfach in einer Struktur zu arbeiten, in der man immer nur das tut, was einem gesagt wird. Das ist durchaus sehr angenehm: Du musst Dich nicht mit Dir und Deinen Bedürfnissen auseinandersetzen und kannst den Vorgesetzten immer den schwarzen Peter zuschieben. Und plötzlich bist Du selbst in der Verantwortung. Du musst Dich fragen: „Wieviel brauche ich? Wieviel will ich? Wieviel ist meine Arbeit innerhalb des Teams wert?“  Und darüber passiert ganz viel!

Und ein noch viel wichtiger Schritt ist es, herauszufinden, wie man die einzelnen Mitarbeitenden motivieren kann. Gerade bei kleinen Teams unter 30 Leuten sollte man die Menschen ja auch kennen und ins Gespräch gehen. Externe Beraterinnen und Berater können in solchen Momenten gut helfen. Es gibt heutzutage glücklicherweise Beratungen für alles und jeden!

Führungskräfte sollten nicht in eine „Nun stellt Euch doch nicht so an“-Haltung verfallen, sondern den Individuen im Team zuhören und herausfinden, wo der Schuh drückt. Das hat ja auch ganz viel mit Wertschätzung des Einzelnen zu tun. Dafür sollte es Führungspersonen geben!

Bald spreche ich mit Melusine noch mal genauer darüber, was eine Führungsperson für sie ausmacht und wie sie sich selbst in der Rolle wahrnimmt.

Merle Becker spricht an der Hochschule Hamm-Lippstadt über aeWorldwide, Postkolonialismus, Othering und Flüchtlinge

Melusine Reimers und Merle Becker sprechen an der Hochschule Hamm-Lippstadt über aeWorldwide, Postkolonialismus, Othering und Flüchtlinge (2016)

Roses Revolution: Gewalt unter der Geburt

Roses Revolution: Gewalt unter der Geburt

Vergangene Woche durfte ich für den Blog Mamaaempf einen Gastbeitrag schreiben. Dabei ging es um das Thema Gewalt unter der Geburt, welches immer Ende November besonders Aufmerksamkeit bekommen.

Der Roses Revolution Day möchte darauf aufmerksam machen, dass etwa jede dritte Frau, die Kinder bekommen hat, mit Gewalt im Kreißsaal konfrontiert wurde. Während im allgemeinen Diskurs Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett romantisiert wird, werden viel zu häufige traumatisierende Ereignisse in Momenten des völligen Ausgeliefertseins verschwiegen. Ich wollte dies nicht so belassen und entschied mich, über meine eigenen Erfahrungen zum Thema Gewalt unter der Geburt zu berichten. Ninas Blog erschien mir der richtige Ort dafür.

Lest hier mehr.