Im letzten Beitrag habe ich bereits mit Melusine Reimers, Gründerin und Philosophin, über New Work und Leidenschaften gesprochen. An dieser Stelle stelle ich ihr nun noch einige Fragen zu ihrer Vorstellung von Führung und auch zu ihrer Sicht auf die Position von Frauen im Management.
Du hast uns HIER bereits erzählt, dass Du an einer agilen Struktur in Deinem Unternehmen arbeitest und deshalb vor allem Menschen suchst, die mit Leidenschaft für das Thema von READYMADE arbeiten. Was lässt Dich nachts wach liegen in Bezug auf Dich als Führungsperson? Wo hast Du das Gefühl, dass Du noch mal an Dir persönlich arbeiten und über Dich heraus wachsen musst?
Ich übersehe gerne, dass das Abgeben von Aufgaben nicht bedeutet, dass man direkt weniger Arbeit hat. Zuerst müssen Menschen eingearbeitet und eingeführt und natürlich auch irgendwie kontrolliert werden. Dabei verstehe ich die Kontrolle im Sinne von „Wie kommen sie zurecht? Wo brauchen sie noch Hilfe?“. Diese Vorstellung, dass die Aufgabe weg ist, wenn man sie abgegeben hat, ist einfach falsch. Führung ist halt auch eine eigene Aufgabe. Hinzu kommen gemeinsame Teamlunches und Meetings. Vorher, als wir noch zu zweit waren, konnte ich arbeiten, wo ich wollte – prinzipiell auch von zu Hause aus, das geht nun nicht mehr. Diesen neu hinzukommenden Zeitaufwand muss ich mir immer wieder in den Sinn rufen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist es, die Mitarbeitenden nicht zu überfordern, sondern sie bei Problemen aufzufangen und da die richtigen Fühler für zu haben. Auch das bedeutet für mich ein Prozess, etwas, das ich jeden Tag lernen muss.
Wir versuchen diesen Problemen zu begegnen, in dem wir einen Zusammenhalt schaffen. So haben wir zum Beispiel einen gemeinsamen Kick Off veranstaltet, in dessen Rahmen wir alle zusammen drei Tage weg waren. Wir haben in einem Gebäude geschlafen, gemeinsam Freizeitaktivitäten durchgeführt und natürlich auch zusammen gegessen und gearbeitet. Das empfand ich als unheimlich wichtig, denn dadurch konnte ein Wir-Gefühl aufgebaut werden. Jetzt läuft nicht mehr nur alles über die Geschäftsführung, sondern die Menschen sprechen untereinander miteinander.
Wie wärst Du gerne als Führungsperson? Wie würdest Du Dir wünschen, dass Deine Mitarbeitenden Dich in zwei Jahren beschreiben?
Ui, das ist eine schwierige Frage, da geht es ja um mich! (lacht) Ich würde gerne als eine Führungsperson wahrgenommen werden, die fair ist und sehr fähig. Trotzdem möchte ich menschlich erreichbar und wahrnehmbar sein. Ich möchte keine dieser Führungspersonen sein, die zwar alles organisieren und einen super Durchblick haben, aber bei denen niemand anderes versteht, was sie genau machen. Transparenz ist mir wichtig. Ich möchte befähigen und Möglichkeiten geben. Mein Ziel ist es, meinen Mitarbeitenden die Chancen zu eröffnen, sie selbst zu sein und über sich selbst hinaus zu wachsen. Ich möchte nicht nur Wege vorgeben und Menschen sagen, dass sie dies gehen sollen. Hoffentlich kann ich meinen Mitarbeitenden das Handwerkszeug an die Hand geben, ihre eigenen Wege zu gehen.
Und was noch hinzukommt: Ich möchte niemals alleinige Führungsperson sein. Man hat einfach verschiedene Persönlichkeiten, die sich in Doppelspitzen ergänzen können. So bin ich bei READYMADE eher der harte Part, fordere eher und spiele vielleicht mehr den Bad Cop. Julian stellt die Harmonie her und das empfinde ich als super hilfreich.
Du bist unter 30, weiblich und gründest das zweite Mal. Wie siehst Du Dich zwischen all den anderen Gründerinnen und Gründern, Managern und Führungspersonen. Wie nimmst Du Dich wahr und wie wirst Du wahrgenommen? Wünscht Du Dir manchmal ein Mann zu sein?
Das ist sehr phasenabhängig. Gerade am Anfang hat man es als Frau sehr viel schwieriger. Zum einen wird ein bestimmter Habitus vorausgesetzt, den ich einfach nicht habe. Sicherlich kann man den als Frau auch haben, aber ich habe ihn nicht. Dieses „Ich bin absolut überzeugt von mir selbst und mache alle platt“, das ist nicht meins. Am Anfang war es für mich sehr schwierig, die Menschen davon zu überzeugen, was ich kann. Ich erlebe es leider immer wieder, dass ich als Frau neben meinem Co-Founder von READYMADE in die Assistenzrolle gesteckt werde. Ich erinnere mich an eine bestimmte Situation auf einer Messe. Ein anderer Geschäftsführer eines Unternehmens kam zu uns und stellte sich Julian vor und sagte mit Blick zu mir: „Ach schön, die Assistenz ist auch da!“. Manchmal ist das auch subtiler, da wird man in Gesprächen einfach nicht angesehen, sondern nur der männliche Part. Ich denke, da muss man sich als Frau dann noch mal ein wenig mehr sammeln und sich mehr anstrengen, um erhört zu werden.
Auf der anderen Seite erlebe ich auch, dass gerade mittelständische Geschäftsführer mich sehr ernst nehmen und schätzen. Da ist es häufig eher so, dass weibliche Führungskräfte mir bissig begegnen. Das finde ich unglaublich schade, denn mir ist Solidarität unter Frauen unglaublich wichtig. Gerade, weil es so wenige Frauen in dem Bereich gibt. Ich freue mich immer über jede Frau, die mir in dem Rahmen begegnet und bin dann umso enttäuschter, wenn ich die Bissigkeit erleben muss. Wir sollten uns doch gegenseitig unterstützen!
Aber ich habe mir tatsächlich noch nie gewünscht, ein Mann zu sein. Ich habe schließlich auch einen Haufen Probleme nicht, die man als Mann hat. Immer wieder muss ich diese typischen männlichen Vergleiche wahrnehmen – besonders auf halboffiziellen Veranstaltungen. Ich kann auf diese Schiene nicht angesprochen werden, das hat aber auch zur Folge, dass man als Frau auch irgendwie intransparenter bleibt. Man kommt nicht auf diese Männerbünde-Ebene.
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