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Neue Nasen auf die Bühnen

Neue Nasen auf die Bühnen

Johannes Mairhofer, Fotograf, mit dem Projekt speakabled.

– Wie speakabled. mehr Menschen mit Behinderungen auf die Bühnen bringen möchte

Johannes Mairhofer ist Fachinformatiker, Fotograf, Speaker und Um-die-Ecke-Denker. Er engagiert sich für die Zivilgesellschaft und vor allem für die Sichtbarkeit von Menschen mit Behinderungen.
Ich durfte mich mit ihm über sein Projekt speakabled. unterhalten. Ziel ist es, mehr Menschen mit Behinderungen auf die Bühnen zu bekommen: Sprecher*innen, die über Fachthemen statt über ihre Behinderungen sprechen.

Johannes, was ist speakabled.?

speakabled. ist eine Plattform, auf der Menschen mit Behinderungen oder besser gesagt, Sprecherinnen und Sprecher mit Behinderungen sich ein Profil erstellen können, um sichtbar zu werden. Sie tragen dort ihre inhaltliche Kompetenz ein und beschreiben diese. Menschen, die Veranstaltungen und Konferenzen organisieren, können dort nach Sprecher*innen mit Behinderung suchen. Die Plattform richtet sich also an Veranstalter*innen, die den Anspruch haben, ihre Bühnen vielseitiger und diverser zu gestalten – was ja leider bei Weitem nicht immer der Fall ist.

Wie bist Du auf die Idee gekommen?

Ich selbst habe eine sichtbare Behinderung und es hat mich immer gestört, dass man Menschen mit Behinderungen nur auf Bühnen sieht, wenn sie selbst über Behinderungen sprechen. Es gibt selten Speaker, die über ihre Fachthemen sprechen und nebenbei auch eine Behinderung haben. Ich habe damals recherchiert, ob es zu dieser Lücke schon Angebote gibt, und nichts gefunden. Und ich bin dann so der Typ Mensch, der sich sagt: „Das gibt es noch nicht? Na, dann mach ich es halt!“ (lacht

Inwiefern besteht denn ein Risiko der Reproduktion von Ungleichheiten? Menschen, die über speakabled. nach Sprecher*innen suchen, suchen ja nicht mehr nur nach Themen, sondern wollen vor allem Menschen mit Behinderungen auf der Bühne haben.

Ein Foto von Johannes, welches er während der Corona-Pandemie mit einer kontaktlosen Methode mit Abstand fotografiert hat.

Ich wünsche mir, dass Menschen mit Behinderungen für ihre Kompetenzen und Themen wahrgenommen werden und nicht immer nur über die Behinderung. Aber dafür brauchen sie eine Sichtbarkeit und es muss normaler werden, Menschen mit Einschränkungen auf Bühnen und in Shows zu sehen. Und bei Medienberichten geht es ja oft weiter. Meist werden sie nur in Bezug auf ihre Behinderung interviewt. Mein Wunsch ist es, dass es die Plattform in 10 Jahren nicht mehr braucht, weil Menschen mit und ohne Behinderung ganz selbstverständlich zu Fachthemen sprechen.

Auf der Plattform kannst Du nach Themen suchen. Wenn Du nach Fotografie suchst, dann findest Du zum Beispiel mich! Andere sprechen über Skateboards oder über Tech. Auch Lars Fischer, der Wissenschaftsjournalist, ist bei speakabled. vertreten.

(links: Ein Foto von Johannes, welches er während der Corona-Pandemie mit einer kontaktlosen Methode mit Abstand fotografiert hat. Hier: Katja Diehl)

Die Menschen, die auf speakabled. suchen, sind sicherlich Menschen, die generell schon offen für Diversität auf der Bühne sind. Wie erreichst Du denn Menschen, die bisher noch nicht für solche Themen sensibilisiert sind?

Das ist eine gute Frage und tatsächlich eine große Herausforderung. Ich gebe viele Interviews zu dem Thema, schreibe Gastartikel und versuche dem Ganzen eine gewisse Sichtbarkeit zu geben. Das Problem besteht ja ganz oft, wenn man sich Plattformen für Diversität ansieht. Das ist leider ein echter Teufelskreis.

Ist speakabled. denn selbst barrierefrei?

Leider ist die Website nur barrierearm. Ich habe sie mehrfach von Menschen mit verschiedenen Behinderungen checken lassen. Und alles, was ich mit WordPress anpassen konnte, habe ich gemacht. Und ich bin wirklich ganz fit mit WordPress (lacht). Aber um tatsächlich den Stempel „barrierefrei“ zu tragen, müsste ich eine*n Programmierer*in engagieren. Und da es sich bei speakabled. um ein Ehrenamt handeln, ist mir das leider momentan nicht möglich. 

Kostet es denn etwas, bei Dir Speaker zu buchen oder sich selbst als Sprecher*in zu registrieren?

Nein! Es geht mir rein um den guten Zweck. Alle registrierten Sprecher*innen geben ihre Kontaktdaten an und können direkt kontaktiert werden. Ich verdiene daran gar nichts. Wichtig ist auch, dass alle eingetragenen Menschen angeben können, wie sie am liebsten kontaktiert werden. Denn nicht alle möchten angerufen werden zum Beispiel. Das ist gerade im Kontext Inklusion sehr relevant.

Du hast jetzt ein paar Mal betont, dass es Dir um die Bühnenpräsenz von Menschen mit sichtbaren Behinderungen geht. Richtet sich speakabled. nur an Menschen mit sichtbaren Behinderungen?

Ein Foto von Johannes, welches er während der Corona-Pandemie mit einer kontaktlosen Methode mit Abstand fotografiert hat. Hier: David Lebuser

Nein! Das war zwar meine ursprüngliche Motivation, aber ich fühle mich nicht berechtigt zu prüfen, welche Art der Behinderung sichtbar oder unsichtbar ist. Ich prüfe da gar nichts. Bei mir kann sich jeder registrieren, der oder die sich als Mensch mit Behinderung identifiziert. Behinderungen wie etwa Autismus sind ja nicht sichtbar, aber deshalb in keiner Weise weniger relevant. Es gibt auch kein Feld, in dem eingetragen wird, welche Behinderung man hat. speakabled. ist ja kein Zirkus! Wer möchte, kann in den Freitext etwas zu seiner Behinderung schreiben, manche haben auch Fotos hochgeladen, auf denen zum Beispiel ein Rollstuhl sichtbar ist. Das Einzige, was ich abfrage, ist das Feld „Anforderungen“. Dort kann man etwa notieren, dass man einen Ruheraum braucht, oder eine Flasche Wasser oder ein Mikro oder einen Stuhl. Aber auch Speaker ohne Behinderungen haben ja oft spezielle Anforderungen wie etwa Internet oder eine Moderation.

(rechts: Ein Foto von Johannes, welches er während der Corona-Pandemie mit einer kontaktlosen Methode mit Abstand fotografiert hat. Hier: David Lebuser)

Wo siehst Du speakabled. in 10 Jahren?

Am besten gibt es speakabled. nicht mehr, weil es nicht mehr gebraucht wird. Aber erst mal freue ich mich, wenn es die Jahre vorher intensiv genutzt wird. Außerdem wäre eine finanzielle Wertschätzung für meine Arbeit ganz wunderbar. Seit einiger Zeit nutze ich Paypal für Spenden, das könnte mir dann vielleicht in den kommenden Monaten und Jahren ermöglichen, noch weiter an speakabled. zu arbeiten und es weiter zu entwickeln.
Ach, ich wünsche mir einfach, dass die Bühnen diverser werden und wir nicht immer nur die gleichen Nasen sehen!

Wenn Sie nun Lust bekommen haben, Johannes mit speakabled. zu unterstützen, können Sie dies direkt hier tun: paypal.me/speakabled


Ein Foto von Johannes, welches er während der Corona-Pandemie mit einer kontaktlosen Methode mit Abstand fotografiert hat.

#KeinWiderspruch

Ein vorheriges Projekt von Johannes Mairhofer ist #KeinWiderspruch
Ziel der Fotoreihe ist es, Menschen mit Behinderung von dem Narrativ zu lösen „arm dran“ zu sein. Der Mensch mit all seinen Facetten soll wieder in den Fokus gerückt werden. Dafür reiste Johannes durch Deutschland und fotografierte 30 Menschen. Die Porträtierten schrieben selbst einen kurzen Text, um sich vorzustellen. Dabei entschieden sie individuell, ob und wie sie ihre Behinderung erwähnen wollten. Viele haben einfach nur über ihre aktuellen Projekte berichtet.


(rechts: Ein Foto von Johannes, welches er während der Corona-Pandemie mit einer kontaktlosen Methode mit Abstand fotografiert hat. Hier: Lisa Schmidt)


Johannes Mairhofer, Fotograf, mit dem Projekt speakabled.

Johannes Mairhofer ist Fachinformatiker, Fotograf, Berater und Autor. Er gibt Workshop zum Thema Smartphone-Fotografie und WordPress und engagiert sich für verschiedene zivilgesellschaftliche Themen. Da er selbst mit einer sichtbaren Behinderung lebt, ist ihm die Darstellung von Menschen mit Behinderung besonders wichtig. Dafür gründete er speakabled. und setzte als Fotograf das Projekt #KeinWiderspruch um. 

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Johannes freut sich über Unterstützung!

Hochschulverwaltung und New Work

Hochschulverwaltung und New Work

– Öl und Wasser oder die perfekte Begegnung?

Melusine Reimers und ich gründeten 2013 zusammen den gemeinnützigen Verein academic experience Worldwide. 2016 folgte eine weitere Gründung. Als Verfechterin der Freiheit und der Konzepte von New Work schwor sie sich direkt nach ihrem Magister-Abschluss, niemals als klassische Angestellte zu arbeiten. 2018 gab sie mir dazu zwei Interviews (hier und hier).
Heute arbeitet Melusine im Verwaltungstrakt einer Hochschule. 

Was ist da passiert? Was hat Verwaltung mit New Work zu tun? Und wer ist der Vorgesetzte, der es geschafft hat, Melusine an sich zu binden?
Ich freue mich sehr, dass Melusine mir gemeinsam mit Ihrem Chef Marc Seelbach von der Worldfactory Rede und Antwort stand.

Herr Seelbach, Sie sind Leiter der Abteilung Transfer und Entrepreneurship in der Worldfactory der Ruhr-Universität Bochum. Was genau bedeutet das? 

MARC SEELBACH: Wir sind die Schnittstelle zwischen dem Inneren der Universität und der Welt da draußen. Wir nennen das Transfer und Entrepreneurship. Das Themas Gründung spielt da natürlich eine wichtige Rolle.

Es gab im Jahr 2013 in Bochum einen Schockmoment: Opel brach plötzlich weg, Nokia zog aus der Region. Und die Ruhr-Universität Bochum stellte fest, dass das innovative Milieu um sie herum nicht mehr vorhanden schien. Traditionell versteht sich die RUB als Universität der Grundlagenforschung. Aber man merkte, ohne gesellschaftliches Engagement und ohne den Transfer Richtung Wirtschaft und Gesellschaft geht es heutzutage nicht mehr. So sorgte die Krise dafür, dass Neues entstand. Der sogenannte Worldfactory-Prozess wurde ins Leben gerufen. Der Wunsch bestand, Forschung, Lehre und Transfer unter einem Dach stattfinden zu lassen. Mitte 2016 wurde das heutige Universitätsforum Ost angemietet. Das war der erste sichtbare Baustein der Worldfactory. Hier finden Pitches statt, genauso wie Lehre, ein Großteil der Abteilungen sitzt hier, es gibt Ideenlabore mit Unternehmen und auch Großveranstaltungen. Der operative Hebel folgte im April 2017: Im Dezernat des Rektorats wurde die Abteilung für Transfer und Entrepreneurship eingerichtet. Und im Juni 2017 kam ich dann schließlich hinzu. Es war eine bewusste Wahl der Hochschule, einen Leiter zu finden, der vorher noch nicht an der RUB war. Sie wünschten sich frischen Wind. 

Heute verwalten wir auch das Patentportfolio der RUB, betreiben ein Veranstaltungszentrum und bauen einen „Makerspace“ in dem ehemaligen Opel-Verwaltungsgebäude auf. Und natürlich fördern wir auch klassische Verbundsprojekte zwischen der Wirtschaft und der Wissenschaft. Zudem betreiben wir in der Innenstadt gemeinsam mit der Hochschulkommunikation ein kleines Veranstaltungszentrum. Wir wollen die Themen aus der Uni in die Gesellschaft tragen. Das sind unsere großen Transferthemen.

Melusine, Du bist in der Worldfactory angestellt für den Bereich Gründung und Inkubatoren. Was genau kann ich mir darunter vorstellen?

MELUSINE REIMERS: Nun, in meiner Signatur steht, dass ich für Start Up-Beratung zuständig bin. Das trifft es ganz gut. Wir beraten alle Projekte und Teams, die sich von der RUB aus ausgründen möchten. Das sind sehr unterschiedliche Projekte. So durfte ich schon Teams beraten, die Cafés eröffneten, aber auch solche, die sich mit dem innovativen Umgang mit Plasma auseinandersetzen. Darüber hinaus bin ich dafür zuständig, den Beratungsprozess stetig weiterzuentwickeln. Ich schaue also genau, was die Teams eigentlich brauchen und überlege mir, wie wir da bestmöglich unterstützen können. Außerdem helfe ich auch beim Erstellen von Förderanträgen. Ich sehe mich gerne als Mami für alles, was so gebraucht wird, damit junge Start Ups erfolgreich sein können.

Darüber hinaus bin ich für die fünf Inkubatoren zuständig, die an der Worldfactory entstehen sollen. Ich sorge dafür, dass sie gut miteinander vernetzt sind und gemeinsam aufgebaut werden.

Was sind das für Teams, die Du berätst? Studierende?

MELUSINE REIMERS: Das ist sehr unterschiedlich. Zum Teil habe ich Master-Studierende vor mit sitzen, zum Teil auch Promovierende oder Post-Docs, aber auch Verwaltungsmitarbeitende.

Gerade im Hinblick auf meine eigenen Erfahrungen sehe ich, was für ein flauschiges Umfeld die RUB für Gründerinnen und Gründer bietet. Merle, wir haben ja auch als Studierende gegründet, hatten aber keine Unterstützung seitens der Hochschule – das ist hier ganz anders. Viele der Themen und Ideen für Gründungen entstehen an der RUB aus Forschung- und Drittmittelprojekten. Oftmals werden dann nochmals Drittmittelprojekte angeschlossen, was den Beginn einer Gründung sehr unterstützen kann. Zum Teil hängen da bis zu fünf Promotionen dran. Und oft gründet sich dann irgendwann eines der Teams mit einem sehr spezifischen Thema aus. Das sind also dann wissensbasierte Gründungen von Menschen mit einer Leidenschaft für das Thema.

Wenn ich Dir, Melusine, vor 3 Jahren gesagt hätte, Du wirst bald in Vollzeit an einer Hochschule in der Verwaltung arbeiten, hättest Du mir nie geglaubt und mich für verrückt erklärt. Was ist da passiert? 

MELUSINE REIMERS: (lacht) Du erinnerst Dich sicherlich, dass ich nach meinem Magisterabschluss versucht habe, ganz klassisch zu arbeiten. Ich war in der Verwaltung einer Stiftung. Aber nach vier Monaten bin ich schreiend davongelaufen und habe mir geschworen, mich nie wieder in solch eine Form der Arbeit zu quetschen. Ich wollte mich niemals wieder anstellen zu lassen. 

Aber seitdem ist viel Zeit vergangen. Ich bin zwischendurch fast sechs Jahre lang in der Start Up-Blase rumgerannt. Irgendwie hat es mir gereicht. 

Der Hype, wenn man gründet, der trägt einen eine ganze Weile lang. Man bekommt viel Aufmerksamkeit, schafft Investments ran. Ich durfte plötzlich Al Gore die Hand schütteln und mit ihm über Klimapolitik diskutieren – das würde man in anderen Kontexten doch nie so jung schaffen. Ich durfte einen Ted Talk halten, habe ein Team aufgebaut, mit Politikerinnen und Politikern zusammengearbeitet und mit Ende 20 gemerkt, dass meine Bucket List schon ganz schön abgearbeitet ist. Ich hatte das Gefühl, alles schon mal gemacht zu haben. Die Frage „Und jetzt?“ kam mir immer öfter.

Gleichzeitig promoviere ich bereits seit zwei Jahren neben all dem und habe dabei gemerkt, dass mich die Universität doch mehr reizt als die Wirtschaft. Dabei musste ich oft an uns beide denken, Merle: Ich wollte immer Professorin werden und Du wolltest immer selbst was gründen und auf die Beine stellen. Aber irgendwie sind unsere Pläne zwischenzeitig ein wenig durcheinandergeraten und wir lebten das Leben der jeweils anderen (lacht).

Irgendwann wusste ich, dass ich mich wieder auf meine Werte besinnen wollte. Ich wollte wieder in Metaebenen denken und auch mal in die Tiefe gehen. In einem Start Up hat man dazu zu wenig Zeit, Geld und Ressourcen.

Fehlen Dir denn die Freiheiten?

MELUSINE REIMERSIch bin selbst überrascht, aber nein. Es fühlt sich gerade alles sehr gut an. Ich habe Freiheit gegen Sicherheit getauscht. Zum Glück können wir hier sehr autonom arbeiten. Ich arbeite in einem Team von vier Beraterinnen und Beratern und wir haben uns das Büro ganz flauschig eingerichtet. Es ist motivierend, wie frei ich hier an Konzepten bauen kann. 

Und was für mich wirklich schön ist: Wenn ich hier jetzt Inkubatoren entwickle, dann kann ich das so machen, wie ich das gerne möchte. Aber am Ende sind das nicht meine kleinen Ergebnisse, sondern die Inkubatoren der RUB. Man hat direkt eine große Wirkung. In einem Start Up muss man dafür viel mehr arbeiten! Ein Tanker im Hintergrund ist auch durchaus positiv. 

Herr Seelbach, wie muss ein Arbeitsplatz und ein Arbeitsbereich in der Verwaltung denn bestenfalls aussehen, um innovativ und zukunftsfähig zu sein?

MARC SEELBACH: Ich teile das Spannungsfeld, das Melusine aufgemacht hat. Ich hatte auch meine Vorbehalte, als ich an die Hochschule wechselte. Der klassische öffentliche Dienst ruft ja durchaus stereotype Bilder auf. 

Aber das war unbegründet. Wir sind zwar in der Universitätsverwaltung angestellt, aber das ist schon ein sehr sexy Thema, das wir hier bearbeiten. Dadurch, dass es die Abteilung vorher noch nicht gab und das Thema jung ist, sind wir im positiven Sinne konkurrenzlos. Uns wird sehr viel Vertrauen entgegengebracht und wir bekommen hochschulpolitisch sehr viel Rückenwind. Ich spüre eine positive Freiheit! Freiheit kann erdrückend sein, in dem Sinne, dass man sich in der Arbeit verliert, oder aber sie hilft einem, sich kreativ zu entfalten. So wie hier.

Unser Leiter der Hochschulkommunikation hat das vor kurzem „kontrollierte Anarchie“ genannt und da ist was dran. Eine Uni wird nicht von oben herab gesteuert. Jeder Lehrstuhl ist sehr autonom und die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bringen ein gewisses Selbstverständnis mit, was für mich auch erst mal neu war. Ich sag mal so: Das ist schon ein sehr diskussionsfreudiger Haufen. Und das spiegelt sich natürlich in der Führungskultur wieder. Klar, es gibt auch hier noch die berüchtigten grünen Aktenmappen, die von Büro zu Büro gereicht werden (lacht).

Ich erinnere mich, dass ich Melusine angerufen habe, nachdem wir uns für sie entschieden haben. Ich fragte sie: „Hast Du Dir das wirklich gut überlegt?“ Ich wollte, dass sie weiß, worauf sie sich einlässt und nicht enttäuscht wird. Aber ich sehe jetzt, dass das sehr gut passt und sie genau den frischen Wind bringt, den wir brauchen.

MELUSINE REIMERSEs gibt auch einfach so tolle Kleinigkeiten! Letztens musste ich zum Beispiel das Büro wechseln und es kam sofort jemand vom IT-Service, der sich um all meine elektronischen Geräte kümmerte. Das ist hier arbeitstechnisch wirklich ein flauschiges Umfeld! Die Grundbedürfnisse sind wunderbar gedeckt und gegeben, dadurch habe ich viel Zeit thematisch ins Detail zu gehen.

Ein weiterer schöner Nebeneffekt der Anstellung ist so etwas wie Urlaub! Ich habe vorher nie Urlaub gemacht, nur einmal zwischen zwei Gründungen. Das ist jetzt vollkommen neu für mich! 

Melusine sagte mir in dem vorhergegangenen Interview: „Ich glaube einfach nicht daran, dass Vorgesetzte, die meist weit weg von den Projekten arbeiten, besser Entscheidungen treffen können als die Menschen, die sich als Expertinnen und Experten jeden Tag mit den Problemen auseinandersetzen.“
Herr Seelbach, Sie sind nun der Vorgesetzte von Melusine. Würden Sie sagen, dass Sie Ihren Mitarbeitenden diesen Freiraum geben? Wie machen Sie das? 

MARC SEELBACH: Fachlich gesehen teile ich diese Auffassung. Jeder Mitarbeitende hat in seinem Feld mehr Ahnung von der Materie als ich – gar keine Frage. Die Menschen um mich herum beschäftigen sich täglich in aller Tiefe mit diesen Themen. Insofern können und sollen sie ihre fachlichen Entscheidungen frei treffen. Meine Aufgabe ist es aber, diese Einzelentscheidungen in das Große und Ganze einzufügen. Und dabei sind meine Entscheidungen vielleicht nicht immer Sinne der Mitarbeitenden, aber sie dienen strategischen Zielen. Mein Wunsch ist es aber, meine Entscheidungen und das dazugehörige Warum transparent zu machen. Im Dialog ist vieles verständlicher und leichter. So können Führung und Freiheit zusammenfinden.

Und wie finden Sie Menschen, die Lust auf eine diese selbstbestimme Arbeitsweise haben? Wie sieht das z. B. beim Employer Branding und Recruiting aus, Herr Seelbach?

MARC SEELBACH: Als ich hier anfing, waren sechs der Mitarbeitenden schon da. Ich habe also einen Stamm übernommen. Danach habe ich inhaltliche Lücken identifiziert. Glücklicherweise war dies zu einem Zeitpunkt, an dem wir gerade ein größeres Fördermittelprogramm eingeworben haben, sodass ich drei neue Gründungsberaterinnen und -berater einstellen konnte. Mir war dabei immer klar, dass ich nicht nur auf Eigengewächse setzen wollte, sondern dass wir frischen Wind von außen brauchten. Gleichzeitig wünschte ich mir eine gewisse Marktnähe. Das meine ich nicht wirtschaftsliberal, sondern ganz in dem Sinne: Menschen, die wissen, wie die Welt außerhalb der Universität aussieht. Für mich war das ein wichtiges Kriterium. 

Oft sehe ich es, dass Führungskräfte Menschen einstellen, die ihnen selbst in ihrer Persönlichkeitsstruktur ähneln. Das ist das bekannte Bauchgefühl. Auch das wollte ich unbedingt verhindern. Ich brauche Menschen mit eigenem Kopf, die mir auch mal widersprechen. Und ich möchte behaupten, dass wir das auch geschafft haben. Wir haben jetzt in Bezug auf Persönlichkeitstypen so ziemlich alles dabei – auch und besonders im professionellen Sinne. Das macht meiner Meinung nach auch ein gutes Team aus. Es fordert natürlich auch mehr, denn die Diskussionen sind viel kontroverser. Aber wir wollen hier Innovation leben und dafür ist das nur förderlich.

Was sind denn dabei für Sie persönlich die größten Herausforderungen?

MARC SEELBACH: Nun, ich muss 17 sehr verschiedene und sehr interessante Charaktere bei Laune halten – und dies nicht im Sinne von Thomas Gottschalk bei „Wetten Dass?“. Ich bin kein Entertainer, sondern eine Führungskraft. Zudem haben wir ein sehr breites Themenspektrum und ich habe tagtäglich einen engen Terminkalender. Oftmals muss ich zwischen bis zu elf Themen hin- und herswitchen. 

Außerdem bekleide ich eine sogenannte Sandwich-Position. Das heißt, ich bekomme Input und auch Druck von meinen Mitarbeitenden und gleichzeitig auch von oben, zum Beispiel vom Prorektor. Dieser gibt mir auch Arbeitsaufträge, Ergänzungen und Anmerkungen zu meiner Arbeit. Die Dezernentin ist darüber hinaus meine Fachvorgesetzte. Zwischen all diesen verschiedenen Interessengruppen muss ich täglich moderieren.

Wie steht es um die Diversität im Team? Ist das eine Herausforderung für Sie?

MARC SEELBACH: Melusine ist ein Mensch, der den ihr gegebenen Freiraum sehr gut für sich nutzt. Sie gestaltet ihre Arbeitszeiten selbst und sucht sich eigenverantwortlich relevante Inhalte. Aber ich habe auch andere Mitarbeitende, die einen engeren Rahmen benötigen. Sie suchen öfter das Gespräch und brauchen mehr Arbeitsanweisungen. Und das hat nichts damit zu tun, dass eines von beiden einen besseren Mitarbeitenden ausmacht. Es handelt sich einfach um verschiedene Typen.

Darüber hinaus haben wir eine starke fachliche Breite. Zum einen gibt es den jungen, hippen Start Up-Bereich, zum anderen den juristisch präzisen Patentbereich. Da wird sehr unterschiedlich gearbeitet.

Wir haben auch ältere Mitarbeitende mit sehr viel mehr Lebenserfahrung. Die Bedürfnisse sind da natürlich sehr unterschiedlich und auch da muss ich jeden Tag jonglieren.

Und wie müssen sich Hochschulen vorbereiten und anpassen, um den Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt von heute gerecht zu werden?

MELUSINE REIMERS: Ich glaube, dass es den Hochschulen manchmal an der Fähigkeit zur Ungenauigkeit fehlt. Sie können nicht oberflächlich arbeiten. Und Wirtschaft ist nun mal deutlich oberflächlicher als Wissenschaft. An ganz vielen Stellen müssen Gründerinnen und Gründer auch mal Fünfe gerade sein lassen und Sachen rausschicken oder umsetzen, selbst wenn sie zu dem Zeitpunkt noch nicht wissen, ob und wie sie funktionieren werden. Gerade Gründende, die schon stark wissenschaftlich sozialisiert sind, müssen wirklich umdenken. Das ist eine echte Herausforderung. Sie müssen lernen, spontaner zu agieren und aufhören, ein Sicherheitskonzept zu suchen, dass es in der Wirtschaft in der Form nicht gibt. Ich sehe da ein Problem beim Transfer, denn Hochschulen können so etwas nicht mitgeben. Die Universität kann kein Risiko eingehen. Sie kann nicht flexibel sein und sie kann nicht schnell reagieren.

An Hochschulen muss man meiner Meinung nach Freiräume und Grauzonen nutzen. Aber dafür bedarf es natürlich auch einer gewissen Persönlichkeit. Der klassische, stereotype Verwaltungsmitarbeitende hat das in der Form noch nie gemacht. Wie soll er da plötzlich draufkommen? 

Darüber hinaus sehe ich eine Herausforderung in Hinblick auf die kleinen Königreiche, die es an der Uni gibt, wie zum Beispiel die Fachbereiche. Sie führen zwar einerseits zu dieser angenehmen „kontrollierten Anarchie“, aber andererseits sorgen sie auch für viele Blasen. In jeder Blase glauben die Menschen, dass sie die Einzigen sind, die so arbeiten, wie sie es tun. Manchmal wünschte ich mir, Hochschulmitarbeitende könnten sich von diesen Königreichen lösen und eine gewisse „Scheiß-Egal-Haltung“ einnehmen. Aber genau diese Haltung kann eine Universität wohl nicht einnehmen. Da besteht wirklich ein Konflikt.

MARC SEELBACH: Ich glaube, das deutsche Universitätssystem könnte so viel mehr. Jetzt spricht hier der alte Wirtschaftsförderer in mir: Man möchte politisch immer sehr viel haben. Wir wünschen uns viele Start Ups, mehr Dynamik, mehr Risikokapital, mehr Beteiligungskapital und so weiter. Aber wir haben in Deutschland einen Rechtsrahmen, der das in dieser Form erst mal gar nicht zulässt. Bitte verstehen Sie das nicht falsch, das hat ja durchaus seine Gründe und soll gar keine Kritik sein. Aber es gibt immer wieder diesen Silikon Valley-Vergleich und das finde ich komisch. Dort gibt es nun mal ein ganz anderes Rechtssystem und einen ganz anderen Kulturkreis. Eine Universität hier in dem deutschen Rechtssystem tut sich da tatsächlich vergleichsweise sehr schwer. Grundsätzlich finde ich aber den politischen Ansatz sehr wichtig, mehr unternehmerische Belange in die Universität zu implementieren. 

MELUSINE REIMERS: Ja, vor allem, weil hier auch die Tiefe ist. Das bringt ja auch einen großen Vorteil! Hier geht es nicht nur um Schnellschüsse und Skalierungen, sondern oft um wirklichen gesellschaftlichen Mehrwert. 

MARC SEELBACH: Aber es gibt ja auch durchaus kritische Stimmen, die den wirtschaftlichen Einfluss von außen als Gefahr für die Freiheit der Forschung sehen. Und auch das verstehe ich. Die Forschung darf natürlich niemals ausschließlich wirtschaftlich getrieben sein. Das ist ein Spannungsfeld, in dem wir uns bewegen. 

Melusine ist eine Verfechterin von New Work. Herr Seelbach, wo finden Sie denn greifbar die Konzepte von „New Work“ als Teil des Verwaltungstrakts einer Hochschule?

MARC SEELBACH: Nun, wir sind wie jede Verwaltung stabsförmig aufgebaut. Was ich aber an der RUB sehr schätze ist, dass man hier nicht die Hühnerleiter hoch und runter rennen muss, bevor man mit Zuständigen sprechen darf. Wir arbeiten horizontal und können quer durch die Verwaltung telefonieren. Das mag jetzt banal klingen, ist aber im Verwaltungsbereich wahrlich nicht selbstverständlich.

Vor Kurzem hat unsere Kanzlerin das Projekt „Prozessorientierung und Digitalisierung“ ins Leben gerufen. In diesem Rahmen gucken wir uns kritisch unsere Verwaltungsprozesse an, fragen uns, inwiefern diese notwendig sind und ob und wie wir sie digitalisieren können. Es ist schön zu sehen, wie sich die Verwaltung modernisiert. Natürlich müssen Zöpfe abgeschnitten werden, damit wir die Gefahr eines sich selbst erhaltenen Systems umgehen.

Gerade haben wir uns zum Beispiel mit Dienstreiseanträgen auseinandergesetzt. Bisher muss vor jeder Dienstreise ein schriftlicher Antrag beim Vorgesetzten eingereicht werden und dieser muss den genehmigen. Das sollte nun digitalisiert werden. Aber ich frage mich: Wieso müssen wir denn Dienstreisen überhaupt beantragen? So etwas sollte doch per se genehmigt werden – und wird es ja eigentlich auch immer!

Für unsere Abteilung ist das natürlich ein spannender Moment, weil er sich genau um unsere Themen dreht: Geschäftspläneentwicklung und Innovationsförderung. Es werden Fragen gestellt: Wie gewinne ich zukünftig Fachkräfte? Was muss ich als Arbeitgeber den Menschen bieten? Und natürlich darf man sich bei all dem auch nicht verlieren. Denn auch Freiheit hat im Arbeitskontext seine Grenzen. 

MELUSINE REIMERS: Auch ich bin von diesem Prozess beeindruckt. Wir wurden zu einem „Dialog mit der Kanzlerin“ eingeladen. Ich bin da ganz unvoreingenommen rangegangen und mir fiel sofort auf, wie viele gute Frauen in Führungspositionen es hier an der RUB gibt. Das kenne ich aus der Start Up-Szene so gar nicht.
Der Dialog dauerte einen ganzen Tag und war als moderierter Prozess mit Workshops, Keynotes und Round Tables geplant. Von der Art her hätte das auch in der Wirtschaft stattfinden können. Ein Speaker hat ganz klassisch alle stereotypen New Work-Themen durchgeballert und für mich war es so spannend, die Reaktionen der Hochschulangestellten zu sehen! Für viele war all das vollkommen neu. Sie waren total inspiriert und begeistert. Da merkte ich, dass sich die Hochschulen im Vergleich zur Start Up-Szene einfach noch in einer ganz anderen Welt befinden. Es geht bei einem Prozess also auch immer darum, Menschen nicht abzuhängen und am richtigen Bahnhof abzuholen.

MARC SEELBACH: Ja, das ist wichtig. Wir haben naturgemäß eine eher progressive Meinung zu Themen wie Innovation und Digitalisierung, aber es gibt nun mal andere Verwaltungseinheiten, die ganz anders arbeiten und auch anders sozialisiert sind. Oftmals sind die Menschen auch wesentlich älter. Da geht es nicht darum, Recht zu haben, sondern den Weg gemeinsam zu gehen und alle mitzunehmen. Zum Glück kann sich der öffentliche Dienst auch etwas mehr Zeit und Fingerspitzengefühl gönnen als ein Wirtschaftsunternehmen. 

Ich muss aber sagen, dass ich während dieser Veranstaltung schon stolz auf meine Abteilung war. Wir fallen auf. Und wir leben Intrapreneurship! Ich wünsche mir, dass wir uns das bewahren, auch wenn wir weiterwachsen!


Über


Marc Seelbach

Marc Seelbach von der Worldfactory der RUB

Nach einem Studium der Raum- und Stadtplanung arbeitete er in der Wirtschaftsförderung. Zunächst baute er klassische Unternehmensnetzwerke auf, später kam er vermehrt mit den Themen Start Up-Beratung und Mittelstandsfinanzierung in Kontakt.
 
Bevor Marc Seelbach an die RUB kam, leitete er zudem eine Stabsstelle mit dem Schwerpunkt Innovationsförderung und Technologiepolitik.


Melusine Reimers

Melusine Reimers von der Worldfactory der RUB

Nach den Gründungen von academic experience Worldwide(gemeinsam mit mir, Merle Becker) und READYMADE (gemeinsam mit Julian Kordt), zog es die Philosophin (Mag.) an die Worldfactoy der RUB
 
Melusine provomiert zudem an der Hochschule der Bildenden Künste Saar im Fachbereich Philosophie.


New Work in Dir selbst

New Work in Dir selbst

5 Schritte zu mehr Achtsamkeit im Job

Neues Arbeiten braucht nicht nur neue Methoden und Strukturen, es braucht vor allem auch ein neues Mindset. Ohne dieses Mindset agiert New Work wie ein neues Software Programm auf einem alten Betriebssystem: Ein Crash ist vorprogrammiert. Heike Kirchmann erklärt in diesem Gastbeitrag, wie wir den Weg zu dem richtigen Mindset ebnen können.

Um den Wandel in der Arbeitswelt zu vollziehen muss jede*r Einzelne bereit sein, sich eines System-Updates zu unterziehen. Ansonsten ist ein Programmabsturz absehbar. Das Spannungsfeld zwischen neuen Arbeitsanforderungen und alten, unbewussten Handlungs- und Denkmustern stellt viele Menschen vor Herausforderungen im beruflichen Alltag. 

Ich behaupte: Nur mithilfe neuer Arbeitsmethoden werden wir weder die Produktivität steigern, noch die Zunahme an krankmachendem Stress und permanenter Überforderung lösen.

New Work als Lösung für die Herausforderungen der Zukunft der Arbeit?

Für eine Studie zum Thema „Betriebliches Gesundheitsmanagement 2018“ der pronova BKK wurden bundesweit 1.650 Arbeitnehmer*innen repräsentativ befragt. Die Ergebnisse zeigen:

„Fast neun von zehn Deutschen sind von ihrer Arbeit gestresst. Und das teilweise so stark, dass bereits Warnzeichen für ein Burn-out auftreten. Mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer leidet zumindest hin und wieder unter Rückenschmerzen, anhaltender Müdigkeit, innerer Anspannung, Lustlosigkeit oder Schlafstörungen. Zeitdruck und emotionaler Stress belasten am stärksten.“

Pronova BKK 2018

Emotionaler Stress beginnt oft mit dem Gefühl, nicht geschätzt, beachtet, gehört und verstanden zu werden. Wenn wir von emotionalem Stress sprechen, dann sprechen wir von unterschiedlichen Stressoren:

  • Sensorischer Stress, der ausgelöst wird durch Reizüberflutung, übermäßigem Konsum von digitalen Medien und Schlafmangel.
  • Mentaler Stress, der ausgelöst wird durch kognitiven Stress, berufliche Belastung und verstärkte Arbeitsintensität mit übermäßiger Informationsverarbeitung.
  • Psychischer Stress, der entstehen kann durch soziale Vereinzelung, Konkurrenzdruck, mangelnde Anerkennung und Zukunftsängste.

(Stressoren, Quelle: Neurolab)

Diese Stressoren verschwinden nicht einfach so, nur weil wir mit neuen Methoden arbeiten. Wir müssen uns den zutiefst menschlichen Problemen der heutigen Zeit widmen.

Ursachen verstehen, statt Symptome zu bekämpfen

Als Individuen müssen wir verstehen, wie wir es mit unserer menschlichen Begrenztheit schaffen, die immer größer werdende Dichte an Informationen durch bewusste Abgrenzungsmechanismen zu managen. Erst wenn wir den Menschen in den Mittelpunkt stellen, können wir tatsächlich eine Revolution der Arbeit erleben.

Dabei ist wichtig, dass die Verantwortung nicht beim Arbeitgeber alleine liegt, sondern dass wir alle lernen müssen, uns selbst besser zu regulieren und bewusst Grenzen zu ziehen. Dies gelingt über die Integration von Mini-Freiräumen in unseren Alltag zum Abschalten und Auftanken. 

In vielen Bereichen unseres alltäglichen Lebens finden wir diesen Ansatz schon. So werden regelmäßig Artikel veröffentlicht zum Thema über Gleichgewicht des Körpers und der Seele. Spiritualität ist seit Beginn der Menschheit für viele Menschen zentral und Yoga Studios gibt es schon lange in jeder Stadt. In der Sportwissenschaft spricht man heute von Active Recovery und in der Medizin von einem holistischen Ansatz.

Balance als Grundlage des Lebens und der Arbeit

Alle dieser Modalitäten teilen den gleichen Ansatz: die Balance als Basis. Diesen notwendigen, tiefgreifenden Wandel müssen wir auch in Bezug auf unser Mindset lernen. Alte Glaubenssätze, unbewusste Handlungs- und Gedankenabläufe, die sich hinter unserem Autopilot-Modus verbergen, können erkannt, verstanden und verändert werden.

Dabei reicht es nicht auf den Feierabend zu warten! Freiräume im Alltag müssen sich durch alle 24 Stunden hindurch ziehen und nicht ausgelagert werden, in ein nicht mehr existierendes, persönliches Feierabend-, Ferien- oder Rentendasein. Zuviel Stress und zu wenig Zeit kombiniert mit mangelnder Klarheit müssen wahrgenommen und adressiert werden.

Wenn wir uns entscheiden uns ein neues Mindset anzutrainieren, brauchen wir keine Work-Life-Balance mehr. Mit einem neuen Mindset eignen wir uns eine Haltung an, mit der wir lebendig sind, im Privaten und in der Arbeit.

5 Schritte für das Mindset-Update

Die folgenden 5 Schritte können als Leitfaden dienen, für sich selbst an einem Systemupdate zu arbeiten, um somit weniger Stress und dafür mehr Lebendigkeit im Alltag zu erleben.

1. Seien Sie sich bewusst, dass alles mit einer Entscheidung beginnt.

Es gibt nichts, was wir nicht entscheiden. Wenn wir nicht handeln, dann entscheiden wir uns gegen eine Entscheidung. Die eigene Weiterentwicklung muss gewollt werden. Dafür braucht es ein JA.

Diese JA wiederum bring auch Verantwortung mit sich. Sie beginnen in Ihrem Rahmen, Verantwortung zu übernehmen, wie Sie Ihre Zeit einteilen und priorisieren, welche Gedanken Sie nachhängen oder welche Sie neu antrainieren möchten.

2. Trainieren Sie, wach zu sein.

Entwickeln Sie Achtsamkeit dafür, was in Ihrem Kopf los ist. Welche Gedanken oder Ängste treiben Sie an? Welche alten Handlungsmuster halten Sie gefangen? Welche Gedankenmuster halten Sie davon ab, zu wachsen? Lernen Sie, den eigenen Autopilot Modus zu unterbrechen.

3. Schauen Sie der Wahrheit ins Gesicht, auch wenn es unbequem ist.

Wagen Sie eine Analyse Ihrer Zeiträuber. Wie viel Zeit und Energie verbringen Sie unbewusst oder bewusst mit welchen Dingen?

4. Werden Sie sich Ihren Werten und Zielen bewusst.

Setzten Sie Filter nach dem Prinzip des ROI (Return on Investment): Was sind Ihre Werte? Welche Ziele sind Ihnen wichtig? Wofür wollen Sie Ihre Zeit investieren? Deckt sich Ihr Zeitinvestment mit Ihren Werten?

Das Return-on-Investment ist die Relation zwischen Investition und Gewinn. Betrachten Sie Ihre Zeit als Ihre Investition. Setzten Sie Ihre Zeit sinnvoll ein, damit Ihre Werte und Ziele (=Gewinn) Ihnen einen Mehrwert im alltäglichen Leben bringen. Sortieren Sie Tätigkeiten aus, die Ihnen keine Lebendigkeit schenken.  

5. Tatsächliche Veränderung braucht tägliche Umsetzung. Fangen Sie an!

Richten Sie sich jeden Tag regelmäßig kleine Zeitfenster ein, in denen Sie bewusst Übungen machen, um den Autopilot-Modus auszutricksen und die eigene Komfortzone zu erweitern.

Ich traue jede*r einzelnen zu, sich des eigenen Verstandes zu bedienen, um sich weiterzuentwickeln. Besonders, wenn er*sie darin wohlwollend unterstützt wird.

„Achtsamkeit ist die Fähigkeit, in jedem Augenblick unseres täglichen Lebens wirklich präsent zu sein. (…) Achtsamkeit ist eine Art von Energie, die jedem Menschen zur Verfügung steht. Wenn wir sie pflegen, wird sie stark, wenn wir sie nicht üben, verkümmert sie.“

Thich Nhat Hanh

Über

Heike Kirchmann ist Architektin, Künstlerin und Raumschaffende für mehr Lebendigkeit und Kreativität im Alltag. Sie begleitet Menschen dabei, die oben genannten Schritte umzusetzen und sich selbst mehr Freiraum zu schaffen.
Hier geht es zu Ihrer Website: www.heike-kirchmann.com

Der Weg zum nachhaltigen Unternehmen

Der Weg zum nachhaltigen Unternehmen

Was globale politische Ziele mit Ihrem Alltag zu tun haben

Wenn jeden Freitag junge Menschen auf die Straße gehen und für eine zukunftsfähige und gerechte Politik und Gesellschaft demonstrieren, dann macht das Hoffnung. Die Generation, die unsere Zukunft gestalten wird, scheint als erste verstanden zu haben, wie wichtig der ressourcenschonende Umgang für unsere Natur, unseren Planeten und auch für unsere Gesellschaft mit all ihren Individuen ist. Doch es reicht nicht, für eine nachhaltigere und nebenwirkungsärmere Welt zu demonstrieren. Genauso wenig wie es reicht, von der Politik mehr Nachhaltigkeit zu verlangen. Es braucht jeden und jede Einzelne von uns als Konsumierende, die alltäglich entscheiden. Und es braucht- und das vielleicht sogar noch viel mehr – die Unternehmen und die Wirtschaft, die ihr eigenes Handeln reflektieren.

Wer unternehmerisch handelt, der wirkt auch. Immer. Nicht wirken ist in diesem Rahmen nicht möglich. Immer wieder begegnen mir Unternehmerinnen und Unternehmer, die tatsächlich schon erstaunlich viel tun, um unseren Planeten zu schonen. Sei es der Versuch der Plastikvermeidung, e-Autos als Firmenwagen, oder Bio-Essen in der Kantine. Aber es fehlt an Struktur und oftmals wissen selbst die eigenen Mitarbeitenden nicht, was eigentlich genau von der Geschäftsführung für die Zukunft entschieden wurde.

Oder aber mir wird erzählt, dass man eigentlich viel mehr tun möchte, aber nicht weiß, wo es anzufangen gilt. Das Wort „Nachhaltigkeit“ wirkt so groß, dass die ersten Schritte schwierig erscheinen.

Die SDGs als Hilfe zu mehr Nachhaltigkeit im Unternehmen

Ein guter Rahmen, um anzufangen und das eigene Unternehmen kritisch zu beleuchten, sind die sogenannten Sustainable Development Goals (dt. Nachhaltige Entwicklungsziele). Sie werden gerne als SDGs abgekürzt und sind politische Zielsetzungen der Vereinten Nationen. Sie wurden 2012 in Rio beschlossen und sind seit 2016 in Kraft. 

Ziel ist eine globale, nachhaltige Entwicklung

Während die Vorgänger der SDGs ihren Fokus größtenteils auf ökonomischen und sozialen Aspekten hatten, konzentrieren sich die SDGs zusätzlich auf ökologische Faktoren. Ökonomische, soziale und ökologische Ziele bieten damit einen ganzheitlichen Blick auf das Thema Nachhaltigkeit. Es wird deutlich: Wir können unsere Zukunft nur gestalten, wenn wir versuchen, alle drei Felder im Blick zu haben.

Die Sustainable Development Goals (SDGs) bzw. Ziele für nachhaltige Entwicklung in der Übersicht

Die SDGs bestehen aus 17 Zielen, die auf den ersten Blick zwar logisch, aber auch durchaus auch weit weg erscheinen. Was hat denn z. B. die Agentur aus Frankfurt mit dem „Leben unter Wasser (14)“ zu tun? Und inwiefern wirkt der Handwerksbetrieb aus einem Berliner Vorort auf „Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen“?

Meine Erfahrung zeigt, dass jedes Unternehmen sich in einigen der Ziele direkt wiederfindet und der Meinung ist, dass es hier schon besonders stark ist. Sich aber nun nur auf diese zu konzentrieren, führt zu dem sogenannten „Rainbow Washing“, also dem Herauspicken der Ziele, die einem besonders leicht zu erreichen scheinen. 

Wie werden aus politischen Zielsetzungen Ziele für ein Unternehmen?

Wer wirklich nachhaltig wirken möchte, muss sich mit allen 17 Zielen auseinandersetzen und auch die Spannungen zwischen ihnen aushalten können. Sie sind eine Chance, sich der Wirkung des Unternehmens bewusst zu werden und die eigene Leistung zum Gemeinwohl einschätzen zu können. Positive und negative Wirkungen auf unsere Gesellschaft können analysiert und schließlich auch angegangen und beeinflusst werden. Die globalen Ziele helfen dabei, das eigene Handeln in globale Zusammenhänge einzuordnen.

So kann das Ziel 14 „Leben unter Wasser“ zum Beispiel bedeuten, dass Unternehmen darauf achten, keine Produkte mit schwer abbaubaren Inhaltsstoffen zu verwenden und auf schädliche Chemikalien zu verzichten. Zudem können in Form von CSR Projekte der Meeressäuberung unterstützt werden.

Bei genauerer Betrachtung berühren wir mit unserem alltäglichen Handeln alle der 17 Ziele und wirken auf sie.

Erst mal aufräumen, dann weiter wachsen

Meine Erfahrung zeigt, dass gerne zunächst in den Bereichen gearbeitet wird, in denen das Unternehmen schon relativ gut dasteht. Ich empfehle aber das Gegenteil:
Erst mal muss der Schaden begrenzt werden, um der Umwelt und Gesellschaft wirklich gerecht zu werden. Das bedeutet, dass die Ziele, auf die bisher am negativsten gewirkt wird, als Erstes betrachtet werden müssen. Es gilt sich die Frage zu stellen: Wie können wir unerwünschte Nebenwirkungen erkennen und reduzieren?

Im zweiten Schritt sollte dann betrachtet werden, wie im Rahmen des unternehmerischen Handelns noch mehr positive Beiträge zum Gemeinwohl geleistet werden können.

Der Weg zur perfekten Nachhaltigkeitsstrategie

Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass ein solcher Prozess von einer kleinen Arbeitsgemeinschaft innerhalb des Unternehmens unter Ausschluss des Rests stattfinden kann. Damit wirklich langfristig nachhaltiger gehandelt und gewirkt wird, müssen möglichst alle an einen Tisch geholt werden und in den Prozess einbezogen werden. Denn bloße Regeln, die im Büro des Geschäftsführers oder der Geschäftsführerin hängen, werden den Alltag der Mitarbeitenden nur wenig beeinflussen.

Die perfekte Nachhaltigkeitsstrategie sollte mit der Unternehmensstrategie fest verbunden sein und sich auch in den Werten des Unternehmens wiederfinden.

Alle Bereiche, inklusive Employer Branding, sollten auch in der Kommunikation davon berührt werden, sodass die Mitarbeitenden die Entscheidungen mittragen. Zudem muss die Nachhaltigkeitsstrategie mit Aspekten der Unternehmensführung einhergehen, also auch das Liefer- und Wertschöpfungsmanagement betreffen.

Prozess und Zertifizierung

Der Weg hin zu einem nachhaltigen Unternehmen ist nicht gradlinig und lässt sich zeitlich nur schwer abstecken. Vielmehr ist es ein nie endender Prozess, des eigenen Hinterfragens und der eigenen Wirkungsanalyse. 

Untersuchungen zeigen, dass immer mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sich Unternehmen suchen, die in puncto Nachhaltigkeit vorangehen. Auch für Kundinnen und Kunden sind nachhaltige Produkte immer relevanter. Wer also sein Unternehmen langfristig auf sichere Beine stellen möchte, kommt heute um das Thema Nachhaltigkeit nicht mehr rum. Und wer ruhig schlafen möchte, der sowieso.

Es gibt eine Reihe von externen Zertifizierungsmöglichkeiten, wenn Unternehmen das Gefühl haben, bereits gut mit den Zielen gearbeitet zu haben. So kann man sich zum Beispiel über den Deutschen Nachhaltigkeitskodex oder auch die Gemeinwohlökonomie extern zertifizieren lassen. 

Ich helfe Ihnen gerne, den Weg dorthin zu gehen und begleite den Prozess in Ihrem Unternehmen moderierend. Anhand von Workshops, Tagungen und fachlichem Input stehe ich Ihnen sehr gerne zur Seite auf dem Weg hin zu einem nachhaltigen Unternehmen. Außerdem biete ich Ihnen die Expertise, den Prozess auch kommunikativ zu begleiten. Denn meine Erfahrung zeigt, dass auch der kritische Blick auf das eigene Unternehmen und die eigenen Ziele nach außen kommuniziert für Kundinnen und Kunden, potenzielle Mitarbeitende und auch interessierte Konkurrenz von großem Vorteil sein kann. Seien Sie ein Vorbild!

Sprechen Sie mich an: 

merle@wertschatz-kommunikation.de
www.wertschatz-kommunikation.de
069 25534205


Von Burnout, Sinn am Arbeitsplatz und Work-Life-Balance

Von Burnout, Sinn am Arbeitsplatz und Work-Life-Balance

Ein Interview mit Psychologin, Coach und Mentaltrainerin Michaela Brugger

Michaela Brugger ist nach vielen Jahren im Sales und Marketing von namhaften Großkonzernen ausgebrochen und hat sich als Coach und Mentaltrainerin selbstständig gemacht. Im Interview erzählt mir die Psychologin und Wirtschaftswissenschaftlerin, wieso ein arbeitsfreier Raum für uns so wichtig ist und wie es uns gelingen kann, fernab von Buzzwords unseren eigenen Weg zu finden.

Michaela, Du nennst Dich Coach und Impulsgeberin für individuelle Wege – Was genau bedeutet das?

Ich helfe Menschen, die beruflich unzufrieden sind und in Krisen stecken. In den meisten Fällen sind das Menschen in Anstellungsverhältnissen. Meine Erfahrung zeigt, dass man da mit vorgefertigten 0815-Lösungen nicht weit kommt. Jeder Mensch geht mit seiner einzigartigen Persönlichkeit seinen eigenen und individuellen Weg – und muss das auch. Also wenn jemand beruflich absolut unglücklich ist, dann kann ich ihm keine Paket-Lösung anbieten, sondern ich schaue mir seine Persönlichkeit an: Was braucht dieser Mensch? Was sind seine Vorstellungen vom Leben, was sind seine Bedürfnisse und seine Werte?

Ich sehe bei meinen Kund*innen immer wieder, dass sie sich den Erwartungen irgendwelcher gesellschaftlicher Konventionen beugen oder sich anpassen wollen. Und das ist tatsächlich oft schon die erste Falle. Wenn sie realisieren, dass sie ihr Leben so gestalten dürfen, wie es zu ihnen passt, dann ist der erste Schritt schon getan, dass es ihnen besser geht.

Es gibt ja sehr viele Coaches da draußen, bei denen man sich oft fragt, was sie denn nun dazu qualifiziert, anderen Menschen zu helfen. Was hast Du denn für eine Ausbildung?

Ich beende gerade meinen Master in Psychologie und habe bereits ein abgeschlossenes Wirtschaftsstudium. Das gibt mir nicht nur eine akademische Grundlage, sondern auch eine gewisse Sensibilität für die Themen. Ich weiß durch mein Studium, wo sich eine Midlife-Crisis von einer psychischen Krankheit abgrenzt, die professionelle medizinisch-psychologische Hilfe erfordert. 

Ich hole meine Kund*innen meist bei beruflicher Unzufriedenheit ab, aber das Private spielt natürlich immer rein. Wenn da zu viel im Argen liegt, dann leite ich sie auch mal an eine therapeutische Stelle weiter, denn dann bin ich nicht die richtige Ansprechpartnerin. 

Themen wie Depressionen und Burnout sind immer noch ein großes Tabu in der Arbeitswelt. Und viele Menschen trauen sich zuerst zu einem Coach zu gehen, bevor sie sich eine Therapie zutrauen. Das ist ein guter Türöffner, aber man muss als Coach natürlich auch wissen, wann es Zeit ist, weiterzuleiten.

Burnout ist eines deiner Schwerpunktthemen. Gefühlt geistert dieses Wort seit 15 Jahren durch die Diskurse. Ist das ein Modethema? Oder gab es das vor 100 Jahren auch schon?

Das gab es früher auch schon, wurde aber anders genannt. Wir sprechen erst seit den 1970er Jahren von „Burnout“, aber schon Ende des 19. Jahrhunderts ist in Studien die Rede von Menschen, die extrem erschöpft waren. So litt wahrscheinlich Sissi, die Kaiserin von Österreich, unter Burnout und zudem noch unter Essstörungen. Sie hatte das Gefühl, sie könnte ihrem Staat nicht mehr gerecht werden. 

Wo unterscheidet sich denn ein Burnout von einer Depression? 

Wir können uns beides als nebeneinanderliegende Kreise vorstellen, die sich berühren und in der Mitte treffen. Ein Burnout kann dabei in eine Depression aufgehen. 

Der klarste Unterschied ist wohl, dass eine Depression im Gegensatz zum Burnout genetisch vererbt werden kann und viel tiefer geht. Während bei Depressionen das große Problem der Selbstwert darstellt, ist es beim Burnout der hohe Belastungsanspruch in allen Bereichen des Lebens.

Natürlich kann sich das überschneiden und die Abgrenzung ist nicht immer trennscharf, einfach weil es ineinander übergeht.

Du sagst, Freude und Sinn können uns vor Burnout am Arbeitsplatz schützen. Ist es denn in jedem Job möglich, Sinn zu finden?

Vielleicht bin ich da eine Optimistin, aber ich glaube schon. Wenn ich weiß, wofür ich etwas tue, und zum Beispiel weiß, dass von meinem Beitrag Arbeitsplätze abhängen, dann kann mir das einen Sinn bieten und mich motivieren. Schichtarbeiten und sehr routinierte Arbeiten erschweren natürlich diese Suche nach dem Sinn. 

Ich habe festgestellt, dass viele Angestellte sich in einem Hamsterrad der Anforderungen befinden, und die Unternehmen die Sinn-Frage ganz nach oben heben, aber diese nicht auf die einzelnen Mitarbeitenden heruntertragen. Es wäre so wichtig, den Sinn in der Arbeit wieder für alle Mitarbeitenden spürbar zu machen, statt es nur für Marketing-Zwecke zu nutzen.

Fragen wie „Was ist mein Beitrag zu diesem Gesamtwerk und wieso ist dieser Beitrag auch wichtig?“ können dabei helfen, im Job wieder zufriedener zu sein.

Woher kommt diese Suche nach dem Sinn, die plötzlich überall gefordert wird? Das war doch früher nicht so? Gibt es da Generationenunterschiede?

Ich habe einige Klientinnen über 50, die sich genauso die Sinnfrage stellen wie jüngere. Das ist weniger eine Frage des Alters, sondern vielmehr der Persönlichkeit und des Kontextes.

Ich lebe z. B. in Innsbruck und Tirol. Für mich sind die Berge unheimlich wichtig und ich verbringe viel Zeit in der Natur. Das ist mein gesunder Ausgleich. Ich sehe in meinem Freundeskreis, dass die Sinnfrage viel weniger gestellt wird, weil mein Umfeld seinen Sinn in den Bergen und in der Freizeit findet. Der Beruf ist zwar wichtig und muss auch irgendwie Freude machen, aber die Erfüllung wird oft in der Freizeit gefunden. Der Kontext ist ein anderer und der Fokus liegt nicht nur auf der Arbeit. Das ist ganz anders bei meinen Kund*innen aus Großstädten, bei denen die Arbeit einen viel größeren Lebensbereich einnimmt.

Michaela Brugger Coach beim Ski Fahren
Coach Michaela Brugger beim Ski-Fahren

Das ist spannend, besonders in Bezug auf die so oft genannte „Work-Life-Balance“. Würde Deiner Meinung nach ein sinnstiftender Beruf dafür sorgen, dass man keine Work-Life-Balance mehr braucht? Kann man in einem Job so aufgehen, dass das Privatleben keine Rolle mehr spielt?

Nein, das glaube ich nicht. Dafür ist der Mensch nicht geschaffen. Wir brauchen Erholungsphasen und private Beziehungen. Wir sind soziale Wesen.

Trotzdem sehe ich, dass wir in einer Leistungsgesellschaft mit einem enormen Fokus auf Arbeit leben. Vielleicht gibt es da auch andere Lebensmodelle, die wir anstreben sollten. Zudem finde ich das Wort „Work-Life-Balance“ schwierig. Das wirkt so messbar und linear. Damit tue ich mich schwer. Vielleicht ist ein Puzzle ein besseres Bild, in welchem viele verschiedene Teile zusammenwirken und ein gemeinsames Bild abgeben. Und diese Teile müssen individuell gewichtet werden – das ist bei jedem anders.

Du hast ja selbst innerhalb Deiner beruflichen Laufbahn einen Neustart gewagt und quasi alles noch mal auf null gesetzt. Wie kam es dazu?

Ich habe internationale Wirtschaft in der Nähe von Wien studiert und war im Anschluss beruflich viel im Ausland, in Russland und Südamerika. Über 10 Jahre lang war ich im Marketing und Vertrieb von namhaften Großkonzernen tätig. 

Vor etwa acht Jahren hat sich dann abgezeichnet, dass mir die Strukturen zu eng wurden und ich etwas Neues brauchte. Es fühlte sich an wie eine berufliche Sackgasse. Die Thematik interessierte mich nicht mehr genug, ich wolle nicht mehr „immer mehr verkaufen“. Das war zwar sicherlich kein Burnout, aber eine komplette Sinn-Krise. 

Ich hatte das Gefühl, mich irgendwo verloren zu haben. Die gestalterische, lebensfrohe Michaela, die ich von früher kannte, war nicht mehr da. Die ist mir irgendwo innerhalb meiner Karriere verloren gegangen. Ein Mentaltraining hat mir dann geholfen, diese Lebensfreude wieder zu finden.

Mentaltraining? Was genau ist das?

Im Prinzip trainiert man, seine Gedanken und Gefühle bewusster wahrzunehmen und für sich zu verstehen. Was steuert mich in meinem Handeln? Warum mache ich heute dies und nicht das? Es geht darum, aus dem reaktiven in ein proaktives Handeln zu kommen. Man lernt, sich klare Ziele zu setzen und mentale Blockaden zu lösen. 

So habe ich gelernt, dass mein klassischer Kraftfresser oder auch Glaubenssatz zum Beispiel war: „Was sollen nur die anderen denken?“

Ich suchte aber auch nach dem Training noch eine ganze Weile, bis ich mein Herzensthema fand. Erst nach ca. 1,5 Jahren habe ich die Psychologie für mich entdeckt. Und dann musste ich noch all meinen Mut zusammensuchen, um mein klassisches Umfeld zu verlassen. Das Angestelltenverhältnis zu verlassen fiel mir nicht schwer. Es war die Konfrontation mit den Meinungen und Kommentaren der anderen, die mir Sorge bereitete. Gerade in der Wirtschaft wird Psychologie immer wieder gerne abgetan. Das Mentale Training hat mir geholfen, hinter diese Ängste zu blicken und sie aufzulösen. 

Die Lust, jetzt auch nach dem Studium immer mehr zu dem Thema zu lernen und immer weiter in dem Thema zu wachsen, zeigt mir, dass es der richtige Weg war. 

Würdest Du sagen, dass Selbstständigkeit eine Lösung in der Krise ist?

Die Selbstständigkeit lockt momentan sehr viele. In der Start-Up-Szene ist das ja fast schon ein Hype, gerade wenn es um Online-Business-Modelle geht. 

Ich kenne aber auch Menschen, die nach einigen Jahren die Selbstständigkeit wieder an den Nagel gehängt haben, weil ihnen die Unsicherheit und die permanente Flexibilität zu viel wurden. 

Wenn man es ausprobieren will und sich selbstständig machen möchtet, dann soll man das machen. Das ist sicherlich immer eine wertvolle Erfahrung. Aber es ist nicht die Lösung für jeden.

Wir sollten immer aufpassen, wenn bestimmte Lebensmodelle oder Konzepte gehypt werden. Sei es New Work, sei es Work-Life-Balance, Gründung, Selbstständigkeit oder auch Visionen und Ziele. All dies sind Konzepte, die manchen Menschen helfen können und für einige Menschen sinnvoll sind. Aber wir sind alle individuell und müssen sehen, was für uns sinnvoll und hilfreich ist. 

Rätst Du Deinen Klient*innen, ihr Leidenschaftsthema zum Beruf zu machen? Im Sinne von „Such Dir einen Job, den Du liebst, dann musst Du nie mehr arbeiten“?

Das kommt sehr stark auf die Bedürfnisse des Menschen an. Bei mir war es so, dass ich in meiner Krise zunächst überlegte, den Bergführer als Ausbildung zu machen und meine Leidenschaft zum Beruf zu machen. In dem Prozess merkte ich aber, dass ich diese Leidenschaft als private Leidenschaft behalten wollte. Denn am Ende geht man natürlich an Themen anders dran, wenn man mit ihnen Geld verdienen muss. Selbst wenn es eigentlich die größte private Passion war. Das muss man sich gut überlegen.

Und es hat auch nicht jeder das Bedürfnis, seine Leidenschaft zum Beruf zu machen. Es hat auch nicht jeder das Bedürfnis eine Berufung zu finden.

Und weißt Du was? Das ist auch vollkommen okay. Das ist sogar sehr gesund. Wir sollten keinen Trends hinterherlaufen, sondern uns die Frage stellen: „Was brauche ich, um ein glückliches Leben zu führen?“

Und wir müssen uns darüber klar werden, dass es nicht darum geht, die Menschen um uns herum zu ändern – etwa unsere Vorgesetzten. Wir müssen uns fragen, wo wir einen Beitrag leisten können, etwas zu verändern. Da geht es um Selbstverantwortung und ein Verlassen der Opferrolle. 

Michaela Brugger als Coach beim Mentaltraining

Über

Michaela Brugger ist mit Leidenschaft Coach und Mentaltrainerin, wirtschaftlich, denkende Impulsgeberin und angehende Psychologin. Die Bergliebhaberin schmiss nach einer Sinnkrise ihre Konzernkarriere und hilft nun anderen Menschen dabei, herauszufinden, wie sie sich vor Burnout schützen und ein sinnstiftendes Leben führen können.
Mehr zu ihr auf der Website von Michaela Brugger.

Bei Interesse kann man sich hier für ihren Online-Kurs anmelden.

5 Tipps für mehr Nachhaltigkeit im Familienalltag

5 Tipps für mehr Nachhaltigkeit im Familienalltag

Nachhaltig leben können nur Menschen, die viel Zeit und Muße haben? Mitnichten! Sarah Meyer fasst uns in diesem Gastbeitrag fünf Tipps zusammen, wie man auch im stressigen Familienalltag nachhaltig und naturnah leben kann.

Seit Kindesbeinen liegt mir die Natur am Herzen. Für mich war es selbstverständlich, Bienen und Regenwürmer zu beobachten und sie ohne Scheu von Gehwegen und aus Pfützen zu retten. Seitdem letztes Jahr unser Sohn auf die Welt kam, reichen für mich urplötzlich meine bisherigen Handlungen nicht aus. Ich spüre das Verlangen danach, mehr zu tun, damit unser Planet auch für zukünftige Generationen bewohnbar ist. Ich will meinem Sohn die Möglichkeit geben, die Welt in all ihrer Schönheit und Vielfalt zu entdecken. Ich will, dass er einen respektvollen und von Wertschätzung geprägten Umgang mit Mensch und Tier pflegt. Den muss ich vorleben – jetzt mehr als irgendwann davor. 

Mein Partner brachte schließlich auch das Thema „plastikfreier Leben“ auf die Agenda und das verleitete uns dazu, uns mal einen gesamten Überblick über unsere Lebensweise zu verschaffen. Aus den Ergebnissen lassen sich 5 Tipps ableiten, um auch im Familienalltag nachhaltiger zu leben.

1) Die Wurmbox

Ich bin ein riesen Fan der Wurmbox. Sie riecht nicht, sieht je nach Anbieter sogar schick aus und für die Kinder ist es etwas ganz Besonderes zu lernen, wie wir, die Kompostwürmer und unser Abfall Teil der Natur sind.  
Bei der Wurmkompostierung zerlegen Würmer und Bakterien Bioabfälle in ihre Grundsubstanzen. Dadurch entsteht frischer Hummus, der hervorragende Pflanzenerde ist. Dieser ganze Vorgang findet in einer je nach Anbieter und Design unauffälligen bis schicken, dekorativen Box oder Kiste statt. Es funktioniert wirklich geruchlos, braucht wenig Platz und Pflege. 

Ein wunderbarer, nachhaltiger Anbieter ist hier zu finden: https://wurmkiste.at/

2) Weniger ist mehr 

Und dies vor allem in Bezug auf den Fleischkonsum. Wir selbst sind ein vegetarisch-veganer Haushalt, weshalb ich aus Überzeugung sagen kann, dass es super viele, leckere, kinderbeliebte Rezepte ohne Fleisch gibt. Wie wäre es denn, wenn ihr drei fleischfreie Tage in der Woche einführt? Das tut niemandem weh (im wahrsten Sinne) und sorgt vielleicht sogar für neue Kreativität auf dem Speiseplan. Es ist wirklich nicht schwer, fängt bei Schupfnudelauflauf an und hört bei Chili sin carne nicht auf.  

Mit dem Fleischrechner könnt ihr mit wenigen Informationen über euren wöchentlichen Konsum von Geflügel-, Schweine- oder Rindfleisch eure persönliche Bilanz ausrechnen lassen. Aus den Daten errechnet das Tool, wie viel Wasser der Fleischkonsum pro Jahr verbraucht und wie viel Kilogramm CO2 ausgestoßen werden. Außerdem gibt der Rechner an, wie viel Antibiotika zum Einsatz kommen. Dabei könnt ihr auch angeben, wie viel Fleisch ihr durch vegetarische Alternativen zu ersetzen bereit wärt und seht den direkten Unterschied, den ihr damit macht. 

3) Plastik reduzieren 

Auch dieser Schritt ist kinderleicht und fängt im Kleinen an. An den meisten Frischetheken kann man seine Wurst und seinen Käse unverpackt kaufen und in die eigene mitgebrachte Tupperdose packen lassen. Obst und Gemüse lassen sich auch plastikfrei einkaufen, unser Brot backen wir inzwischen selbst. Auch hier sind wir mit Babyschritten gestartet: Angefangen mit Bio-Backmischungen produziere ich nun meine eigene Hefe:

  • 2 Bio-Datteln, 
  • 1 EL Zucker 
  • 1 Liter Leitungswasser
  • 8 Tage lang morgens und abends schütteln und die Gase entweichen lassen

Voilá! Schon sollte gesunde, gut bekömmliche und schimmelfreie Hefe entstanden sein!

Außerdem backe ich unser Roggenbrot erfolgreich – nach mehreren Versuchen – selbst. Und: Wir haben einen tollen Unverpackt-Laden, wo wir auch viele andere Sachen ohne Plastikverpackung herbekommen.

4) Teilen – denn sharing is caring

Hier in Mainz gibt es eine großartige Foodsharing-Community, die mit ein paar wenigen ganz unkomplizierten Regeln auskommt. Mitglieder des Vereins und auch der vielen Gruppen online in den sozialen Medien teilen ihr Essen und da kommt wirklich eine Menge zusammen. Es lohnt sich, sich einer solchen Gemeinschaft anzuschließen und die Augen bei den Beiträgen offen zu halten. Natürlich kann man auch selbst zu viel gekochtes Essen oder Lebensmittel online posten  und verschenken. 

Dasselbe Prinzip funktioniert auch mit Autos über sogenannte Carsharing-Vereine, Mitfahrgelegenheiten oder Zusammenschlüssen von Pendlern. Aufs Auto sind wir nicht angewiesen, wir erledigen alles mit dem Fahr- und Lastenrad sowie den öffentlichen Verkehrsmitteln.

5) Kinder als Experten wahrnehmen

Unsere Kinder bekommen oft mehr mit als wir denken. Das geschieht bewusst, wenn sie etwa die Nachrichten oder Gespräche mitbekommen oder auch vollkommen unbewusst, wenn es in Büchern ständig schneit und draußen nie. Anstatt kindliche Fragen und Gedanken zu dem Thema Nachhaltigkeit aus einem Schutzreflex abzuwürgen, begebt euch in einen ehrlich interessierten Austausch mit ihnen. Kinder erhalten das Gefühl von Selbstwirksamkeit, wenn wir ihnen vermitteln, dass sie selbst auch etwas tun können. Fragt eure Kinder ruhig zurück: Was würdest du gerne zu Hause ändern? Oder in der Kita? Auf Glasflaschen umstellen, auf Alufolie verzichten? Geht spielerisch an das Einkaufen ran: Wer findet im Supermarkt das meiste Gemüse ohne Verpackung? Experimentiert mit ihnen in der Küche, indem ihr zum Beispiel Joghurt in Gläsern kauft, ihn nach euren Geschmäckern würzt, über Nacht in einem mit einem Mulltuch ausgelegten Sieb beschwert und ausdrückt und am nächsten Tag entscheidet, welcher selbstgemachte Frischkäse der Beste ist. Es darf auch gerne mehrere Gewinner geben. 
Eurer und der Phantasie eurer Kinder sind keine Grenzen gesetzt!

Jeden Tag ein bisschen näher…

Keiner erwartet, dass sich von heute auf morgen alles ändert und die guten Vorsätze ohne Rückschläge oder zurückfallen in alte Muster eingehalten werden. Das wäre utopisch und dem ganzen Prozess gegenüber unfair. Alles beginnt mit kleinen Schritten, kleinen Umstellungen und einem schrittweisen Umdenken. Doch wenn wir jeden Tag einen kleinen Schritt gehen, blicken wir irgendwann auf einen langen Weg zurück und erfreuen uns an einer kinderleichten nachhaltigen Gegenwart.


Über Sarah Meyer

Sarah Meyer über Nachhaltigkeit im Familienalltag hier mit Baby

Sarah Meyer ist Sozialpädagogin, Beraterin und Begleiterin für Frauen, die einen liebevollen Umgang mit sich selbst und die Stärkung des eigenen Ichs wollen. Sie hat selbst einen Sohn und kennt die Herausforderungen, die Arbeit, Mutterschaft und Partnerschaft mit sich bringen.

Daneben verfügt sie über jahrelange fachliche und persönliche Erfahrung in der Stärkung des Selbstwertes. Aufgrund ihrer Erfahrungen möchte sie Mamas unterstützen herauszufinden, was sie wollen, wie ihre Familie sein soll und wie sie entspanntes Mutterglück leben können.

Weitere Infos finden sich auf ihrer Webseite und der dazugehörigen Facebook-Seite.

Was mir Hoffnung gibt

Was mir Hoffnung gibt

Die schlechten News reißen nicht ab – seien es antidemokratische Tendenzen, die Klimakrise oder auch Hass und sprachliche Verrohung. Und trotzdem sehe ich jeden Tag das Gute – das gibt mir Hoffnung!

Das Jahr 2019 neigt sich dem Ende entgegen und es stehen uns viele Festlichkeiten bevor. Ich könnte mich jetzt einfach entspannen, mich auf das Weihnachts- und Neujahrsfest mit der Familie freuen und dankbar oder vielleicht sogar stolz auf das Jahr 2019 zurückblicken.

Wieso ich dankbar bin

2019 war für mich aufregend, nervenaufreibend und wunderschön. Hier ein kurzer Einblick:

  • Die Moderation für die Bundesregierung auf der Frankfurter Buchmesse war sicherlich ein großes Highlight für mich.
  • Genauso wie die Kommunikationsbegleitung von ArbeiterKind.de 
  • Oder die Beratung eines mittelständischen Traditionsunternehmens in Bezug auf wertebasiertes Employer Branding und Nachhaltigkeit.
  • Mit großer Freude habe ich außerdem den HOP! Jugendkongress des Hessischen Jugendrings moderiert
  • Und die Stadt Koblenz am Tag der Demokratie begleitet. 
  • Das erste Mal durfte ich dieses Jahr an der Karlshochschule Management-Studierende als Coach dabei begleiten, zivilgesellschaftliche Projekte im Rahmen von Service Learning umzusetzen.
  • Und gerne beriet ich eine Stiftung im Bereich frühkindliche Bildung beim Webseiten-Relaunch. 
  • Das Thema „Asyl und Migration“ ließ mich auch 2019 nicht los, so durfte ich in Rheinland-Pfalz verschiedene Netzwerktreffen zum Thema Gesundheitsversorgung von geflüchteten und migrierten Menschen moderieren.
  • Und einen wunderbaren Aufenthalt hatte ich als Festrednerin einer Schulfusion in Hechingen, wo Wertschätzung ganz großgeschrieben wird.
  • Schöne Erinnerungen habe ich auch an einen heißen Augusttag, an dem ich eine Veranstaltung für Seniorinnen und Senioren in Frankfurt begleiten durfte.

Warum ich Sorgen habe

Und dennoch lebe ich mit Sorge um die Zukunft unserer Gesellschaft und unseres Planeten. Immer, wenn ich denke: „Jetzt müssen politisch und gesellschaftlich doch mal bessere Entscheidungen getroffen werden (- oder überhaupt Entscheidungen…)“, werde ich wieder enttäuscht.

Wir drehen uns um uns selbst und blenden dabei aus, auf wessen Kosten wir Tag für Tag leben. Ich sehe meinen kleinen Sohn größer werden und komme nicht umhin, mir die Frage zu stellen, wie seine Zukunft aussehen wird.

Umso dankbarer bin ich, mit so vielen tollen Partner*innen und Kund*innen zusammen zu arbeiten, die mir jeden Tag zeigen, wie die Zivilgesellschaft etwas für unsere Zukunft tut. Ich traf Menschen, die sich im Bereich Umwelt engagieren, oder in der Bildung; Menschen, die sich um ältere Mitbürger*innen bemühen und solche, die gegen das Vergessen arbeiten. Ich sprach mit Menschen, die sich um solche kümmern, die alles verloren haben, und mit Menschen, die die jüngere Generation für zivilgesellschaftliche Themen sensibilisiert.

Ich danke Euch allen von Herzen für Euer Engagement!

Um unseren Planeten weiter zu schützen, verzichte ich dieses Jahr auf Weihnachtspost. Stattdessen habe ich Bäume pflanzen lassen – für all die Menschen, die mich dieses Jahr begleitet und inspiriert haben.

Hoffentlich begegnen wir uns 2020 wieder und arbeiten weiter daran, dass dieser Planet und diese Gesellschaft für uns lebenswert bleiben.

PC: HOP! Jugendkongress / Nele Prinz
PC: HOP! Jugendkongress / Nele Prinz

Lasst uns auch im neuen Jahrzehnt an das Gute in unserer Gesellschaft, an Menschlichkeit glauben und dafür einstehen. Bis dahin wünsche ich Euch ein paar geruhsame Tage und ein schönes Fest – was auch immer Ihr feiert! 

Herzliche Grüße, 
Merle

Die Zivilgesellschaft ist nicht immer gut

Die Zivilgesellschaft ist nicht immer gut

Wieso wir uns beim Spenden und Engagieren manchmal mehr Gedanken machen sollten.

NGOs werden oft als Vertreter*innen der Zivilgesellschaft gesehen beziehungsweise mit dieser gleichgesetzt. Es heißt, sie erhöhen die Transparenz und Legitimität der Politik, bringen die nötige Expertise und Ressourcen mit und verbessern dadurch die Problemlösungskapazität der Regierungen. NGOs sollen also eine Demokratisierung der Politik unterstützen. Doch wer spricht eigentlich für wen in den NGOs? Und wer entscheidet, welche Stimmen aus der Zivilgesellschaft erhört werden?

Wie eine Organisation zu einer NGO wird

NGOs werden in der Literatur meist als Nichtregierungsorganisationen bezeichnet, die in den Bereich von Non-Profit-Organisationen fallen, dabei jedoch speziell humanitäre Ziele verfolgen oder öffentliches Interesse vertreten. Die Autorität von NGOs basiert auf normativen Kräften anstelle von demokratischer Repräsentation oder militärischer Macht. 

Ein kritischer Blick auf NGOs

Das klingt ja zunächst sehr positiv. Doch die Literatur bietet seit den 1990er Jahren auch vermehrt kritische Ansätze in Bezug auf die Stellung von NGOs in der internationalen Politik und die Machtverhältnisse, die durch NGOs repräsentiert werden. So wird davon ausgegangen, dass auch NGOs vor allem Partikularinteressen vertreten und um das eigene Überleben kämpfen.

Zurückzuführen ist dieses Argument unter anderem auf die Tatsache, dass der NGO-Begriff der UN sehr weit gefasst ist, weshalb viele Organisationen mit sehr unterschiedlichen Interessen darunterfallen. Auch existiert der Vorwurf, dass in globalen NGOs vor allem gebildete Menschen aus dem Mittelstand reicher Staaten arbeiten. NGOs seien auch nicht Teil eines dritten Sektors, sondern eng mit dem Staat und dem Markt verbunden. Dadurch reflektieren sie die gesellschaftlichen Ungleichheiten und bilden diese in ihrer Arbeit wieder ab. 

NGOs sind heterogen

Doch NGOs sind sehr heterogen und divers und arbeiten häufig auch über verschiedene Ebenen. Transnationale NGOs arbeiten oft eng mit lokalen Partnern zusammen, welche Projekte implementieren oder Informationen sammeln. Auch lokale NGOs sind in ihrer Arbeit auf den Einfluss und die Ressourcen von transnationalen Partnern angewiesen. Studien machen deutlich, dass es durchaus auch solche Machtbeziehungen zwischen internationalen und lokalen NGOs gibt, unter denen Letztere leiden. Hierbei spiegeln die Beziehungen die Verhältnisse globaler Geopolitik wider: Demnach stülpen manche internationale Organisationen eigene Ideen und Konzepte auf die schwächeren lokalen Partner in Ländern des Globalen Südens[1] über. Diese sind auf Gelder und auf die Kontakte der internationalen NGO angewiesen. Ronaldo Munck (2002) und James Petras (1997) sind in diesem Zusammenhang besorgt über den eurozentrischen Charakter solcher Kooperationen, wenn internationale NGOs strukturelle Ungleichheiten in ihrer Arbeit ausblenden, Proteste und schließlich auch Stimmen der kleinen NGOs verklingen lassen und lediglich ihre eigene Stimme als international geltend darstellen. Auch existiert der Vorwurf, dass vor allem NGOs aus dem Globalen Süden die Interessen der Eliten der jeweiligen Staaten und Regionen vertreten, statt tatsächlich für marginalisierte Gruppen zu sprechen. Denn auch die Leiter*innen von NGOs gehören nicht zu den marginalisierten Gruppen, sondern sind selbst Teil der Elite. Gayatri Chakravorty Spivak beschreibt NGOs des Globalen Südens als koloniales Subjekt, welches zu einem „new domestic middle-class urban radical“ geformt wurde (vgl. Spivak 2004: 527). Nur städtische Eliten könnten Probleme so definieren, dass die nördlichen Eliten die Repräsentation und Partizipation anerkennen würden. Spivak macht deutlich, dass die Beachtung dieser Machtverhältnisse innerhalb der Zivilgesellschaft oft zu kurz käme. 

Was heißt eigentlich Repräsentation?

Wenn NGOs als Repräsentant*innen der Zivilgesellschaft gesehen werden, sollte auch der Begriff Repräsentation näher betrachtet werden. Spivak sieht Repräsentation als einen Prozess der Vertretung und Darstellung, wobei Vertretung für eine Form der politischen Repräsentation steht (demnach das Sprechen für andere beinhaltet), während Darstellen den Prozess des Feststellens kennzeichnet. Dabei sei wichtig zu beachten, dass bei jeglicher Form der Repräsentation die Subjekte der Repräsentation „imaginierte heterogene Subjekte“ sind und es keine tatsächlichen Referenten*innen gibt. Repräsentation ist immer auch Interpretation. Es geht nicht darum, wer spricht, sondern vor allem auch darum, wer erhört wird. In vielen Fällen scheitert eine Selbstdarstellung der Subalternen[2] daran, dass sie nicht erhört werden. Auf Grund dieses Scheiterns ist die Repräsentation durch Intellektuelle trotz der Gefahren unausweichlich. 

Ein weiterer Kritikpunkt ist quantitativer Natur: Untersuchungen zeigen, dass bei internationalen Klimaverhandlungen ein Großteil der NGOs aus dem sogenannten Globalen Norden kommt. Zudem stehen den NGOs des Globalen Nordens oftmals mehr materielle und ideelle Ressourcen zur Verfügung, sodass diese die internationale Klimapolitik qualitativ sowie quantitativ dominieren. 

Zivilgesellschaft ist nicht immer „gut“

Diese kritische Sichtweise steht im Kontrast zu den Forschungen, die NGOs als Vertreterinnen der Zivilgesellschaft sehen. Dabei stellt sich die Frage, was mit Zivilgesellschaft gemeint ist. Der Zivilgesellschaft wird im Diskurs oftmals zugeschrieben, die Probleme des Zusammenlebens in einer repräsentativen, pluralistischen und liberalen Demokratie zu lösen. Sie ist demnach weder Teil des Staates, noch des Marktes, noch lässt sie sich in der reinen Privatsphäre der Bürger*innen einordnen. Sie soll da greifen, wo Staat und Markt versagen. 

Seit den 1980er Jahren wurde die Zivilgesellschaft in der Forschung als vorwiegend gut, wertvoll und förderungswürdig gesehen. Die Geschichte lehrte jedoch, dass Akteure der Zivilgesellschaft nicht grundsätzlich anerkennungswürdig sind. So gab es etwa in der Weimarer Republik viele Organisationsformen, die nicht alle durch ein geteiltes, bürgerliches Ethos geprägt waren, sondern vielmehr kompromisslos für eigene ideologische Forderungen eintraten. Auch heute bezeichnen sich viele islamistische Organisationen selbst als Teil der Zivilgesellschaft und betreiben Krankenhäuser, Schulen und Hilfsprojekte. Gleichzeitig verfolgen sie aber durchaus auch militärische Zwecke. Hier stellt sich also die Frage, von welchen Akteuren allgemein gesprochen wird, wenn von der positiv konnotierten Zivilgesellschaft die Rede ist. Es wird deutlich, dass die Zivilgesellschaft im Diskurs oft normativ definiert wird als das, was sie sein soll. Dies führt dazu, dass nur ein bestimmter Teil der analytisch definierbaren Zivilgesellschaft auch als solche anerkannt wird. Eine Zivilgesellschaft braucht in ihrem normativen Verständnis ein gemeinsames Wertecluster. Dieses muss in einem demokratischen Verständnis auch demokratisch sein. Demnach kann es keine globale Zivilgesellschaft geben, da es keine global geteilten demokratischen Werte gibt. In demokratischen Staaten sind formell gesehen alle Bürger*innen mit den gleichen Rechten durch die Verfassung und Gesetze ausgestattet. Teile der internationalen Gesellschaft, insbesondere postkolonialer Staaten, haben reell gesehen jedoch nur begrenzten Zugang zu Bürgerrechten. Dadurch sind sie keine Mitglieder der Zivilgesellschaft und werden aus Sicht des Staates auch nicht als solche gesehen. Spivak sieht die Zivilgesellschaft als Erweiterung der globalen, hegemonialen Ordnung und betont die Rolle der (nicht gewählten) Eliten innerhalb der Zivilgesellschaft mit Zugang zu einer weitreichenden transnationalen Öffentlichkeit. Spivak merkt an, dass die nationale und internationale Zivilgesellschaft die Macht des Staates untergraben würde. Dies sei jedoch laut Nikita Dhawan „kein Plädoyer für einen Etatismus, sondern vielmehr für eine Wachsamkeit in Bezug auf die Verdrängung des Staates durch nichtstaatliche Akteure als treibende Kräfte der Gerechtigkeit.“ (Dhawan 2012: 10). 

Dieser Forschungsstrang versucht also darauf aufmerksam zu machen, dass NGOs, die für gesellschaftliche Gruppen sprechen und diese repräsentieren wollen, Gefahr laufen Machtverhältnisse zu konstruieren oder zu verfestigen. 

Was bedeutet das jetzt?

Ich selbst engagiere mich zivilgesellschaftlich, seitdem ich denken kann und unterstütze in den vergangenen Jahren mehr NGOs als ich zählen könnte. Und doch möchte ich mit diesem Artikel dazu anregen, sich immer mal wieder Gedanken darüber zu machen, für wen und wie verschiedene „Vertreter*innen Zivilgesellschaft“ meinen zu sprechen. Und auch die Frage zu stellen, wer erhört wird und wer gegebenenfalls auch nicht erhört wird.

Gerade jetzt, kurz vor Weihnachten, wo uns so viele Spendenanfragen per Post, Mail und Direktansprache erreichen: Machen Sie sich Gedanken darüber, an wen Sie spenden und was das für Auswirkungen auf die Gesellschaft, die Menschen und die Umwelt haben könnte.


[1] Mir ist bewusst, dass es sich bei den Bezeichnungen „Globaler Norden“ und „Globaler Süden“ um stark vereinfachende und geografisch falsche Termini handelt. In Rahmen dieser Arbeit sollen die Begriffe keine Verallgemeinerung der Menschen darstellen, sondern vielmehr auf die unterschiedlichen Erfahrungen mit Kolonialismus hindeuten (vgl. Glokal e.V. 2013: 8). Die Begriffe werden verwendet, um auf globale Ungleichheiten aufmerksam zu machen.


[2] Subalternität bezeichnet die Teile der Gesellschaft, die durch hegemoniale Praktiken ausgegrenzt werden (vgl. Spivak 1988).


Hier können Sie weiterlesen und meine Quellen nachvollziehen:

Beer, Christopher Todd; Bartley, Tim; Roberts, Wade T. (2012): NGOs: Between Advocacy, Service Provision, and Regulation. In: David Lēwî-Faur (Hg.): The Oxford handbook of governance. Oxford: Oxford Univ. Press, S. 326–338. 

Brand, Ulrich (2001): Nichtregierungsorganisationen und postfordistische Politik. Aspekte eines kritischen NGO-Begriffs. In: Achim Brunnengräber, Ansgar Klein und Heike Walk (Hg.): NGOs als Legitimationsressource. Zivilgesellschaftliche Partizipationsformen im Globalisierungsprozess. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, S. 73–94. 

Brühl, Tanja (2003): Nichtregierungsorganisationen als Akteure internationaler Umweltverhandlungen. Ein Erklärungsmodell auf der Basis der situationsspezifischen Ressourcennachfrage. Zugl.: Frankfurt am Main, Univ., Diss., 2002. Frankfurt am Main u.a.: Campus-Verlag (Studien der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, 42). 

Brühl, Tanja (2008): Mächtige Akteure? NGOs in der internationalen (Biodiversitäts-)Politik. In: Petra C. Gruber (Hg.): Nachhaltige Entwicklung und Global Governance. Verantwortung, Macht, Politik. Opladen: Budrich, S. 107–124. 

Brühl, Tanja (2010): Representing the People? NGOs in International Negotiations. In: Jens Steffek (Hg.): Evaluating transnational NGOs. Legitimacy, accountability, representation. 1. publ. Basingstoke: Palgrave Macmillan, S. 181–199. 

Brühl, Tanja; Gereke, Marika (2015): Der Beitrag von Non-State Actors zum Schutz der Umwelt. Eine kritische Analyse der Rolle von NGOs in der Klimapolitik. In: Z Außen Sicherheitspolitik 8 (S2), S. 677– 694. 

Buttigieg, J. A. (2005): The Contemporary Discourse on Civil Society. A Gramscian Critique. In: boundary 2 32 (1), S. 33–52. 

Carpenter, R. Charli (2010): Governing the global agenda. „Gatekeepers“ and „issue adoptions“ in transnational advocacy networks. In: Deborah D. Avant, Martha Finnemore und Susan K. Sell (Hg.): Who governs the globe? Cambridge: Cambridge University Press (Cambridge studies in international relations, 114), S. 202–237. 

Castro Varela, Marìa do Mar (2006): Postkoloniale feministische Theorie und soziale Gerechigkeit. In: Ursula Degener und Beate Rosenzweig (Hg.): Die Neuverhandlung sozialer Gerechtigkeit. Feministische Analysen und Perspektiven. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, S. 97–114. 

Castro Varela, Marìa do Mar; Dhawan, Nikita (2004): Horizonte der Repräsentationspolitik. Taktiken der Intervention. In: Bettina Roß (Hg.): Migration, Geschlecht und Staatsbürgerschaft. Perspektiven für eine anti-rassistische und feministische Politik und Politikwissenschaft (Politik und Geschlecht, 16), S. 205–226. 

Dhawan, Nikita (2012): Postkoloniale Staaten, Zivilgesellschaft und Subalternität. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 62 (44-45), S. 30–38. 

Dombrowski, Kathrin (2010): Filling the gap? An analysis of non-governmental organizations responses to participation and representation deficits in global climate governance. In: Int Environ Agreements 10 (4), S. 397–416. 

Gereke, Marika; Brühl, Tanja (2016): Demystifying the Transformative Power of NGOs. Unequal Representation of Northern and Southern Interests in International Climate Change Politics: Unveröffentlichtes Skript. 

Goudge, Paulette (2003): The Whiteness of Power. Racism in third world development and aid. London: Lawrence & Wishart. 

Lipschutz, Ronnie D. (2007): The Historical and Structural Origins of Global Civil Society. In: Globalizations 4 (2), S. 304–308. 

Martens, Kerstin (2006): NGOs in the United Nations system. Evaluating theoretical approaches. In: J. Int. Dev. 18 (5), S. 691–700. 

Munck, Ronaldo (2002): Global Civil Society: Myths and Prospects. In: Voluntas: International Journal of Voluntary and Nonprofit Organizations 13 (4), S. 349–361. 

Özmen, Elif (2016): Wer oder was ist die „Zivilgesellschaft“? Beiträge der Philosophie zum Verständnis eines vielfältigen Phänomens. Engagierte Hochschule. Hochschulnetzwerk Bildung durch Verantwortung. Hochschulzentrum Vöhlinschloss, 07.11.2016. Online verfügbar unter https://www.youtube.com/watch?v=ffqoyvh5_tY, zuletzt geprüft am 13:07h, 19.03.2017. 

Petras, James (1997): Imperialism and NGOs in Latin America. In: Monthly Review 49 (7), S. 10–27. 

Rodríguez, Encarnación Gutiérrez (2008): Postkolonialismus: Subjektivität, Rassismus und Geschlecht. In: Ruth Becker, Beate Kortendiek und Barbara Budrich (Hg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie, Methoden, Empirie. 2., erw. und aktualisierte Aufl. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften (Geschlecht & Gesellschaft, 35), S. 267–275. 

Spivak, Gayatri Chakravorty (1988): Can the Subaltern Speak? In: Cary Nelson (Hg.): Marxism and the interpretation of culture. Urbana, Ill.: Univ. of Illinois Press, S. 271–313. 

Spivak, Gayatri Chakravorty (1999): A critique of postcolonial reason. Toward a history of the vanishing present. Cambridge, Mass.: Harvard Univ. Press. 

Spivak, Gayatri Chakravorty (2004): Righting Wrongs. In: The South Atlantic Quaterly 103 (2/3), S. 523– 581. 

Steffek, Jens (Hg.) (2010): Evaluating transnational NGOs. Legitimacy, accountability, representation. 1. publ. Basingstoke: Palgrave Macmillan. 

Steffek, Jens (2013): Explaining cooperation between IGOs and NGOs. Push factors, pull factors, and the policy cycle. In: Rev. Int. Stud. 39 (04), S. 993–1013. 

4 große Probleme von Vereinen und NGOs – und wie man sie mit einer Klappe schlägt

4 große Probleme von Vereinen und NGOs – und wie man sie mit einer Klappe schlägt

Öffentlichkeitsarbeit ist der wichtigste Baustein, um den Impact zu erhöhen.

Sie setzen wichtige Projekte um, die unserer Umwelt oder Gesellschaft zugutekommen. Sie setzen sich für Minderheiten ein oder unterstützen diejenigen, die sonst keine Hilfe bekommen. Sie engagieren sich, um Menschen aus der gesamten Gesellschaft zum Sport zu motivieren. Und es gibt noch so viel mehr Beispiele von beeindruckendem Engagement in unserer Gesellschaft. Dabei machen die Engagierten dies meist nicht, um dafür in der Öffentlichkeit zu stehen. Doch ich behaupte: Genau das sollten Sie!

Immer wieder arbeite ich mit Kundinnen und Kunden zusammen, die wundervolle Projekte ins Leben rufen und ungemein wichtige Arbeit leisten. Dafür engagieren Sie sich zum Teil ehrenamtlich, oder sie arbeiten viel mehr Stunden als sie bezahlt bekommen – weil sie mit Leidenschaft bei der Sache sind.

Doch oftmals höre ich die gleichen Probleme:

  1. Das Fundraising läuft mehr schlecht als recht.
  2. Die Organisation von Veranstaltungen gestaltet sich schwierig, weil man nie weiß, ob genug Besucherinnen und Besucher kommen.
  3. Viel Gutes wird getan, ohne, dass andere Menschen davon etwas mitbekommen. Es fehlt an Unterstützerinnen und Unterstützern.
  4. Oft wird das Rad an vielen kleinen Orten immer wieder neu erfunden. Viele NGOs, Stiftungen und Vereine wissen einfach nicht, dass an anderer Stelle schon tolle Arbeit zum gleichen Thema geleistet wird.

All diese Probleme basieren auf fehlender Sichtbarkeit der Arbeit. Öffentlichkeitsarbeit wird immer wieder als nerviges Anhängsel gesehen, das halt irgendwie auch abgearbeitet werden muss. Digitale und soziale Medien werden aus Sorge vor Datenschutzproblemen oder auch Mehrarbeit oft ganz außen vorgelassen. Vor Kurzem sagte eine Kundin zu mir:

„In diesen Wettbewerb wollen wir nicht eintreten!“

Das Problem an dieser Einstellung: 
Es gibt kaum Möglichkeiten, die jeweiligen Zielgruppen zu erreichen und auch neue Interessierte auf die Arbeit aufmerksam zu machen, wenn man Öffentlichkeitsarbeit für sich ausschließt. Oftmals gab es niemals eine Zielgruppenanalyse – viele tolle Projekte wissen gar nicht, wen sie ansprechen wollen und wie sie diese Personen am besten erreichen.

Manchmal werden soziale Medien verwendet, weil das Gefühl besteht, „man müsse das jetzt so tun“. Aber nicht für alle Zielgruppen ist facebook relevant. Nicht jeder muss bei twitter zu finden sein. Und wer Social Media halbherzig verwendet, kann es oftmals besser ganz sein lassen.

Dabei ist es wichtig, sein Mindset zu überdenken: Es geht nicht um Wettbewerb. Wer authentisch und ehrlich kommuniziert, seine Zielgruppe gut kennt und dieser Mehrwert bietet, der wird auch die sozialen Medien gut für sich nutzen können.

Es geht nicht darum, mehr Likes oder Follower zu bekommen als andere Organisationen, sondern nachhaltige, menschliche Verbindungen herzustellen.

Es lohnt sich also, die Zielgruppe zu definieren, herauszufinden, wo sie sich aufhält und schließlich gezielt diese Kanäle zu bespielen. Und bespielen heißt weder in der klassischen Pressearbeit, noch im Bereich Social Media einseitiges Informieren. Vielmehr geht es immer um das Netzwerken, um die Interaktion und den Austausch.

Zeigen Sie sich als Organisation mit ihren Werten, thematischen Schwerpunkten und Expertisen, kommen Sie mit Menschen dazu ins Gespräch und gestalten Sie den Diskurs aktiv mit – analog, digital, online und offline. Nur die Vernetzung der verschiedenen Aktivitäten macht das Bild rund.

Das klingt erst mal nach Mehrarbeit (und das ist es wohl auch zunächst), langfristig hilft diese Vorgehensweise aber, mehr Spenden- und Sponsoring-Gelder zu akquirieren, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Ehrenamtliche zu finden und zu binden, Veranstaltungen zu bewerben und schließlich den Impact zu erhöhen. Je mehr Leute von Ihrer wichtigen Arbeit wissen, umso mehr werden sich auch um die Thematik insgesamt Gedanken machen. Außerdem zeigen Untersuchungen, dass sozial und ökologisch agierende Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, andere Menschen inspirieren, es Ihnen gleich zu tun.

Seien Sie ein Vorbild! 

Gerne begleite ich Sie auf Ihrem Weg zu einer zu Ihnen passenden Kommunikationsstrategie. Ich biete Workshops, Beratungen und langfristige Begleitungen an.

Mehr dazu finden Sie hier: 

https://wertschatz-kommunikation.de/kommunikation/

Wieso Unternehmen Verantwortung übernehmen müssen – sofort!

Wieso Unternehmen Verantwortung übernehmen müssen – sofort!

Oder: Wer ist unsere Gesellschaft?

2060 werden die Wälder in Deutschland brennen. Jeden Sommer. Weltweit werden 400 Millionen Menschen unter Wasserknappheit leiden, unzählige Großstädte werden unbewohnbar sein. Der Meeresspiegel wird steigen, Jakarta wird es nicht mehr geben. 140 Millionen Menschen werden auf der Flucht sein. 

Und das bei nur 2 Grad mehr. 

Ich sehe meinen kleinen Sohn vergnügt quietschen, wenn er wieder etwas Neues gelernt und geschafft hat. Und ich bekomme ich Panik, wenn ich an seine Zukunft denke. Als Friedens- und Konfliktforscherin mit einem Fokus auf Umwelt- und Sozialthemen ist mir schon lange mulmig, wenn ich an die Zukunft denke. Aber seitdem ich Mutter bin, halte ich es kaum noch aus.

Ich bin so wütend!

Es gibt ein chinesisches Sprichwort, welches lautet:

„Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die Einen Schutzmauern, die Anderen bauen Windmühlen.“

Chinesisches Sprichwort

Ich glaube daran, dass heute ein guter Moment ist, um Windmühlen zu bauen und sich den Herausforderungen der Zukunft zu stellen. Nein, ich glaube das nicht nur, ich weiß es. Denn die Wirtschaft braucht Windmühlen, sie braucht Innovationen und sie braucht motivierte, innovative Mitarbeitende, die die Unternehmen tragen.

Doch Unternehmen klagen über Fachkräftemangel. Den Menschen, die seit ca. 1980 geboren wurden – also den sogenannten Millennials – wird immer wieder vorgeworfen, sie seien arbeitsfaul und würden Freizeit der Karriere vorziehen. 

Was bei dieser Diskussion oft vergessen wird: Die Sinnsuche und die Freiheitsgrade steigen in unserer gesamten Gesellschaft – das lässt sich generationenübergreifend feststellen. Immer mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aller Altersklassen stellen sich die Frage nach dem Sinn: 

  • Was mache ich in meinem Beruf? 
  • Welchen Wert habe ich als Mensch und als Persönlichkeit für das Unternehmen und vor allem für die Gesellschaft?
Unternehmensverantwortung CSR

Unternehmen sind ein Teil der Gesellschaft. Ein bedeutender Teil der Gesellschaft. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Viele bekannte Unternehmerinnen und Unternehmer wussten das. Die Geschichte zeigt immer wieder, welchen Einfluss Entscheidungen von Unternehmern auf die Gesellschaft hatten und wie Innovation durch die Wirtschaft angetrieben wurden. Innovative Ideen, die uns heute mehr Sicherheit bringen, wurden nicht erfunden, weil der Gesetzgeber es vorgegeben hat, sondern weil Unternehmerinnen und Unternehmer ein perfektes Produkt schaffen wollten. Heute ist das oft anders.

Eine nähere Betrachtung der Unternehmensskandale der vergangenen Jahre, wie fehlende Unternehmensverantwortung der Wirtschaftlichkeit schaden kann. Und bei allen Unternehmensskandalen handelte es sich um verfehlte ethische Werte. Ich suche die Verantwortung der Unternehmerinnen und Unternehmer von heute.

Denn:

Eine starke Demokratie, eine Zivilgesellschaft wird von Menschen getragen. Und Menschen sind das Zentrum von Unternehmen. 

Und ich behaupte: Wir brauchen momentan nichts dringender als eine aktive, soziale und nachhaltig ausgerichtete Zivilgesellschaft. 

Aber es gibt Hoffnung: für die Gesellschaft und für die Wirtschaft.

Nach jahrzehntelanger Politikverdrossenheit der jungen Generationen zeigt sich in den Straßen überall auf der Welt ein Aufbäumen der Demokratie, dass nicht nur spannend anzusehen, sondern auch ungemein wichtig ist. Junge Menschen demonstrierten. Für unser Klima sowie für unsere wehrhafte Demokratie heute und in Zukunft. Jürgen Habermas, der im Juni 2019 in der Goethe Universität Frankfurt am Main sprach, sagte: 

„Die politischen Eliten (…) haben den Mut zu einer gestaltenden Politik verloren.“ 

Jürgen Habermas

Und ich möchte ergänzen: Auch viele Unternehmen in Deutschland haben den Gestaltungs- und Innovationswillen verloren.

Die jungen Menschen haben dies begriffen und stellen sich mit einem herausragenden Engagement und Willen gegen bestehende Konventionen. Sie fordern nichts Geringeres als eine Zukunft und das auf eine vorbildliche demokratische Art und Weise. 

Die jungen Menschen sind intrinsisch motiviert. Sie führen sich selbst ohne Rücksicht auf traditionelle Hierarchien. Diese jungen Menschen denken quer und zukunftsgewandt, sind in der Lage sich und andere zu mobilisieren und zu organisieren. Damit sind sie genau die Menschen, die von den Firmen so verzweifelt gesucht werden. 

Aber genau diese Menschen, die selbstgeführten, intelligenten, motivierten Menschen werden nur zu solchen Unternehmen gehen, deren Werte sie teilen. Ein dicker Gehaltsscheck und ein Firmenwagen werden sie nicht ködern. Es geht hier also nicht nur um die Verantwortung für unseren Planeten, für unsere Demokratie und unsere Gesellschaft, sondern tatsächlich auch um wirtschaftliche Interessen. 

Lassen Sie uns nicht weitermachen wie bisher. Lassen Sie uns an dieser Krise wachsen. Zusammenwachsen. Wachen Sie auf! Seien Sie innovativ, reflektieren Sie Ihren Sinn, Ihre Werte. Und sichern Sie unsere Zukunft. Denn ohne diesen Planeten bringt das liebe Geld uns gar nichts. 

Ich glaube an eine Welt, in der wir uns auf Augenhöhe begegnen, voneinander lernen und mit unserer Umwelt wachsen. Ich glaube an gute Kommunikation. Denn nur, wenn wir uns austauschen, uns wertschätzen und von Hierarchien unabhängig miteinander sprechen, können wir den Herausforderungen der heutigen Zeit begegnen. Innovativ und zukunftsgewandt. 

Bitte, bitte, bauen Sie Windmühlen!

4 Eigenschaften, die das Klimapaket der Bundesregierung zum Gegenteil von New Work machen

4 Eigenschaften, die das Klimapaket der Bundesregierung zum Gegenteil von New Work machen

Das Klimapaket der Bundesregierung im Jahr 2020:
Eine große Menge an qualifizierten, sehr gut bezahlten Menschen soll ein Problem lösen. Ein Problem, von dem sie seit 1988 wissen. Ein Problem, das in den vergangenen Jahren immer stärker in den Medien diskutiert wurde und in den vergangenen Monaten hunderttausende von jungen und nicht mehr ganz so jungen Menschen auf die Straßen brachte. Ein Problem, über dessen Dringlichkeit sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit einig sind: die Klimakrise.

Eigentlich sollte hier doch alles klar sein, oder? Eigentlich sollte doch ganz schnell eine möglichst starke, systemverändernde Lösung gefunden werden.

Doch das Ergebnis dieses Lösungsversuches ist ein Paradebeispiel. Ein Paradebeispiel für das Versagen einer Zusammenarbeit fern von innovativen und modernen Arbeitsformen.
Wieso? Hier vier Anzeichen genau dafür:

1. Dringende Aufgaben werden auf den letzten Drücker gelöst

Diese Menschengruppe, die das Problem zu mindestens national lösen soll, setzt sich am 19.09. nachmittags hin, weil sie am 20.09. eine Lösung präsentieren sollen. Eine Lösung für ein Problem, von dem sie seit 30 Jahren wissen – mindestens.
Sie reden die ganze Nacht, sind dann übermüdet und präsentieren: keine Lösung, sondern nur schwammiges Gerede. Was sie aber betonen ist, dass es ja eine große Leistung war, stundenlang in Meetings zu sitzen und zu diskutieren. Das wäre dann der zweite Punkt.

2. Das Absitzen von Zeit ist eine Tugend

Die Leistung ist also nicht die Lösung, sondern das Anwesend sein. Die Leistung ist demnach das diskutieren, nicht das Tun. Und die Medien klatschen eifrig und zeigen schläfrige Politikerinnen und Politiker. Ich fühle mich erinnert an all die Unternehmen, in denen die bloße Anwesenheit zählt.

3. Viele Meetings stehen für Produktivität

Volle Terminkalender sind in solchen Unternehmen ein Prestigemerkmal. Die 40-Stunden-Woche mit 8-Stunden-Tagen gilt dort als Minimum, um erfolgreich zu sein. Und wer abends am längsten am PC sitzt und eMails sortiert, ist der Held des Büros und gilt als besonders fleißig. Menschen, die ihre Arbeit in kürzerer Zeit schaffen und produktiver sind, gelten als faul.

4. Chancen werden vertan und Innovation gibt es nur im Missionpaper

So werden wir komplexe, globale Probleme wie die Klimakrise nicht angehen können. Wir werden weiterhin winzige Prestigeprojekte totdiskutieren, statt endlich das Ruder rumzureißen und das System zu verändern.
Eine vertane Chance. Für uns, unsere Kinder und unseren Planeten. #notmyklimapaket

Man wird ja noch kritisieren dürfen…

Man wird ja noch kritisieren dürfen…

über Whataboutism und die „Kritik“ an einer 16-Jährigen

Ein 16-jähriges Mädchen liest wissenschaftliche Studien, versteht sie, reflektiert sie und bekommt Panik. Das 16-jährige Mädchen ist überdurchschnittlich schlau und gebildet und in der Lage, die Komplexität natur- und gesellschaftswissenschaftlicher Studien zu verstehen. Es erfährt, dass die Auswirkungen der Klimakrise fatal sind und sich diese nicht mehr abwenden lassen, wenn wir auf dem Planeten so leben wie zuvor. Was es nicht versteht: Wieso wir dann einfach so weiter machen. Oder noch schlimmer: Wieso unser CO2-Ausstoß sogar noch steigt. Jahr für Jahr und Monat für Monat. Es liest, dass wir handeln müssen und zwar sofort. Dass wir keine Zeit mehr haben, um zu diskutieren, zu hoffen und abzuwarten. Das Mädchen handelt.

Sie beginnt einen Schulstreik und schon bald machen es ihr Tausende von Kindern und Jugendlichen nach. Überall auf der Welt streiken junge Menschen am Freitag die Schule und wollen auf die Erkenntnisse der Wissenschaft und die Taten, die daraus eigentlich resultieren müssten, hinweisen. Auch immer mehr Erwachsene lassen sich mitreißen und sind dabei. 

Doch die Politik und die Industrie machen weiter, wie bisher. Und nicht nur das, in den sozialen Medien, in den klassischen Medien und in zwischenmenschlichen Gesprächen ist es plötzlich das Mädchen, das im Fokus steht. Nicht die Klimakrise. Hat es Brot aus einer Plastiktüte gegessen? Gibt es etwa einen Notfall-Diesel-Motor auf dem Segelboot, das es um die Welt schippert? Benutzt es etwa Marketingmaßnahmen, um ihre Botschaft an die Öffentlichkeit zu bringen? Sind die Bücher, die das Team des Mädchens rausbringt, etwa auf Papier gedruckt?

„Ich will, dass ihr in Panik geratet. Ich will, dass ihr die Angst spürt, die ich jeden Tag spüre. […] Ich will, dass ihr handelt, als würde euer Haus brennen. Denn es brennt.“

Sagt das Mädchen, Greta Thunberg.

Doch statt dass genau das passiert, diskutieren wir über die Person, die den Brand meldet.  Und lassen unser Haus und die gesamte Nachbarschaft weiter abrennen. Wir lassen es nicht nur abrennen, sondern legen immer wieder schönes Brennmaterial nach. 

Wikipedia beschreibt „Whataboutism“ wie folgt:

„Es bezeichnet heute allgemein die Ablenkung von unliebsamer Kritik durch Hinweise auf ähnliche oder andere wirkliche oder vermeintliche Missstände auf der Seite des Kritikers.“

Und das ist genau das, was hier passiert.

Aber wir haben keine Zeit mehr. Es sollte uns vollkommen egal sein, wie Greta Thunberg lebt. Stattdessen sollten wir ihr dankbar sein, dass sie in der Lage ist, uns aufzurütteln, zu berühren und dieses komplexe Thema so gut aufgearbeitet an die Menschen zu bringen. Mir ist egal, welche Marketingstrategien sie verwendet hat oder irgendwelche Menschen hinter ihr. Ich bin einfach nur dankbar, dass diese Strategien offenbar funktionieren.

Ich bin ihr dankbar, dass sie das Thema in die Medien gebracht hat und nicht aufgibt – auch nach einem Jahr nicht. Ich bin ihr dankbar, dass sie all den Hass und die sogenannte „Kritik“ auf ihre jungen Schultern nimmt und sich unserem Planeten verschreibt.

Wir brauchen mehr Menschen wie Greta. Und wir müssen vor allem aufhören, über Greta zu sprechen und stattdessen über Lösungen reden. Wir haben keine Zeit mehr. Die CO2-Emmissionen müssen jetzt und sofort drastisch reduziert werden. Sonst diskutieren wird bald gar nicht mehr. Und ich möchte meine Kinder und Kindeskinder noch diskutieren sehen. Entspannt. Auf unserem schönen Planeten Erde. 

In diesen Zusammenhang möchte ich Euch einen schönen Kommentar von Ankerherz zu diesem Thema ans Herz legen. Ihr Kommentar dazu:

„Wie kommt Greta Thunberg zurück? Wer segelt das Boot? Darf die „Down-Göxx“ das denn? Und noch eine Frage an einige hier: Habt Ihr sie eigentlich noch alle?“ 

– Ankerherz auf facebook