Seite wählen

Emmanuel Jal ist ein gefeierter Rapper und Schauspieler. Er verbindet amerikanischen Hip-Hop mit afrikanischen Klängen und wird dafür international gefeiert. Doch hinter Emmanuel Jal steht viel mehr als ein musikalisch begabter Mann: Er hat eine Geschichte zu erzählen, die es wert ist, gehört zu werden. – Dieser Artikel erschien zuerst im Repekt!-Magazin der IG Metall (Photo Credit: Che Kothari).

»Musik macht mich froh und beschäftigt mich: Für mich ist sie wie eine Therapie.«, sagt Emmanuel Jal, der in den frühen Achtzigerjahren im kriegsgebeutelten Sudan geboren wurde. Nachdem seine Mutter bei einem Überfall auf sein Dorf starb, wurde der gerade einmal siebenjährige Emmanuel Jal zusammen mit vielen anderen Kindern nach Äthiopien verschleppt und in einem Camp zum Kindersoldaten ausgebildet. Er trug eine AK-47, die fast größer war als er selbst, während er für die Befreiungsarmee kämpfte und viele Freunde sterben sah. 1991 schaffte er es mit etwa 300 anderen Kindern wegzurennen. Nur sechzehn von ihnen sollten diese gewagte Flucht überleben. »Wir waren konfrontiert mit Hunger und Durst. Manche von uns starben in Minenfeldern, es gab Krankheiten und giftiges Essen, weil wir wilde Pflanzen aßen. Dass ich das überlebt habe, ist ein Wunder! Ich habe mir selbst immer wieder gesagt, dass ich nicht sterben würde. Ich würde am Leben bleiben!«, beschreibt Emmanuel Jal seine Erlebnisse heute.

2014 erhielt Emmanuel Jal den Dresdner Friedenspreis (Von Dr. Bernd Gross - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=31194135)

2014 erhielt Emmanuel Jal den Dresdner Friedenspreis (Foto von Dr. Bernd Gross – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0)

Emmanuel Jal hatte Glück. Er traf auf eine Mitarbeiterin einer Hilfsorganisation, die den desertierten Kindersoldaten bei sich aufnahm, adoptierte und ihn über die Grenze nach Nairobi schmuggelte. Hier schickte sie den Jugendlichen zur Schule und versuchte, ihm etwas Kindheit zurückzugeben. Aber lange sollte das Glück nicht halten, denn schon wenige Monate später starb seine Adoptivmutter bei einem Autounfall und Emmanuel Jal war in den Slums Nairobis auf sich alleine gestellt. Doch die Musik, die er dort kennenlernen sollte, half dem Waisen, das Erlebte zu verdrängen und später auch zu verarbeiten. Gospel-Musik und Hip-Hop wurden zu seiner Leidenschaft und gaben dem Jungen neue Hoffnung. 2004 veröffentlichte er sein Debütalbum mit dem Namen »Gua« (deutsch: Frieden beziehungsweise Kraft). Heute sagt er: »Als ich in Kenia war, schrieb ich ein einziges Lied, das ein Hit wurde. Und dieses Lied wurde der Wendepunkt meines Lebens. Ich wurde eingeladen bei Live8 aufzutreten und wurde von Peter Gabriel auf der großen Bühne vorgestellt. Und dann passierten viele große Dinge, wie etwa Nelson Mandelas 90. Geburtstag. Ich begann über alles zu sprechen und ging dafür in Schulen. Seitdem versuche ich, bei jungen Menschen Bewusstsein zu schaffen und nutze meine Geschichte für soziales und emotionales Lernen.« Seine Musik vereint Hip-Hop mit afrikanischen Rhythmen und Weltmusik. Emmanuel Jal ist auf der ganzen Welt bekannt. »Ich habe mit Nelly Furtado und mit Niles Rodgers kooperiert – er ist der heißeste Produzent da draußen!«, erzählt der sympathische Musiker stolz. Jal singt sowohl auf Englisch als auch auf Arabisch, Suaheli, Dinka und Nuer. Die Thematik des Bürgerkriegs sowie die Aufforderung zu mehr Frieden und Toleranz auf der ganzen Welt ziehen sich wie ein roter Faden durch seine Musik. Das 2006 veröffentlichte Album »Warchild« wird begleitet von einer Biografie und einer Dokumentation, in denen Jal aus seinem Leben erzählt und versucht, die Welt auf die Problematik der Kindersoldaten hinzuweisen.

Doch er kritisiert auch das Musikbusiness: »Musik ist unschuldig, das Problem sind die Texte. Mit den Texten kann man die Menschen dazu bringen, einander umzubringen oder einander zu vergeben.« Er hat bei Freunden gesehen, wie Musik negativ beeinflussen und Hass schüren kann. Diese Macht der Musik will Jal positiv nutzen. Dafür schrieb er sogar einen Song an 50 Cent und forderte ihn auf, ein besseres Vorbild zu sein. Geantwortet hat 50 Cent auf den Song nie, aber: »Ich bin tatsächlich überrascht, denn 50 Cent macht mittlerweile eine Reihe sehr guter Sachen für Kinder. Er gibt also der Gesellschaft auch etwas zurück.«, erzählt Jal. Ob das soziale Engagement des Gangster-Rappers auf das Lied zurückzuführen ist, weiß Emmanuel Jal nicht, aber darauf kommt es ihm auch gar nicht an. Er hat sich eine Aufgabe gestellt: »Ich glaube, dass ich aus einem Grund überlebt habe: um meine Geschichte zu erzählen und andere Menschen zu beeinflussen.« In seinem Lied »Forced to sin« berichtet der Musiker von seiner verlorenen Kindheit. Er erzählt, wie er um sein Leben lief und seine besten Freunde sterben sah. »Es sterben noch immer viel zu viele Menschen in Bürgerkriegen und dagegen wird zu wenig getan! Mit meiner Musik möchte ich auf diese Probleme aufmerksam machen. Ich hoffe, das Herz der Menschen zu berühren. Wenn du das Herz von jemandem berührst, dann bleibt das ein Leben lang. Wenn du ihren Geist berührst, dann ist das nur kurzfristig.«, erklärt Jal. Aber Emmanuel Jal macht nicht nur Musik, um sich für den Frieden einzusetzen, sondern er ist auch vielfältig dafür aktiv, dass es anderen Menschen besser geht. Er engagiert sich für Straßenkinder, gegen Kindersoldaten und Waffenexporte. Er ist Botschafter für Oxfam und gründete seine eigene Hilfsorganisation »Gua Africa«. Und ganz nebenbei macht sich Jal auch in Hollywood einen Namen: Bald ist er an der Seite von Reese Witherspoon in »The Good Lie« auf der Leinwand zu sehen.

Bis heute leidet der junge Mann an Albträumen. Doch die Musik gibt ihm Hoffnung. Sie hilft nicht nur, Erlebtes zu verarbeiten, sondern beschäftigt Emmanuel Jal auch. Denn dann hat er keine Zeit, über seine verlorene Kindheit nachzudenken.


Mein Interview mit Emmanuel Jal findet Ihr hier!