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Wie Achtsame Kommunikation zum Erfolg zivilgesellschaftlicher Initiativen beiträgt

Und wieder führte die erst angeregte Diskussion zu mehr Streit denn konstruktiver Einigung. Da kommen engagierte und motivierte Menschen zusammen, um gemeinsam in einem Projekt, einer Initiative oder sozialen Bewegung etwas Wesentliches zu verändern und was passiert? Zermürbendes Hin-und-Her und blockierende Dynamiken. Im besten Fall Missmut oder Frustration und im schlimmsten Falle eine Trennung des gemeinsamen Wirkens. Das ist nicht nur ärgerlich und enttäuschend, es macht traurig. Denn da ging es um etwas.

Eine neue Gesprächskultur wagen

Im Folgenden will ich den Ansatz vorstellen, wie Gewaltfreie Kommunikation den Bestand und Erfolg zivilgesellschaftlicher Initiativen unterstützen kann. Und – auch wenn es zunächst ungewöhnlich anmuten mag – inwiefern eine Kultur der Achtsamkeit für eine diskurs- und handlungsorientierte Zusammenarbeit sinnvoll ist.

Schlammschlacht-Dynamik oder rationale Debatten?

Zwischenmenschliche Konflikte gibt es einfach und sie machen auch vor gemeinnützigen Projekten und sozialen Bewegungen mit den engagiertesten Absichten nicht Halt. Die Frage ist vielmehr, wie man ihnen begegnet. Eine mehr oder weniger offen emotionale Schlammschlacht-Dynamik auf eine rationale Debattierebene zu heben funktioniert manchmal, aber nicht immer (und selten langfristig). 

Oftmals kommen Unstimmigkeiten in Prozessen der Entscheidungsfindung hervor, aber auch in inhaltlichen Diskussionen kann sich gerne mal eine Streitdynamik entwickeln, in der sich dann einfach die “stärkere”, lautere Person durchsetzt. Die Momente und Faktoren der eigenen Gruppe zu kennen, in denen es öfter hochkocht, hilft dabei, passende lösungsorientierte Alternativen zu finden.

Gesprächsführung geeignet strukturieren

Achtsame Kommunikation in NGOs

Im ersten Schritt ist zu überlegen, wie die Gesprächsführung anders strukturiert werden kann, um auch bei starken Kontroversen geordnete Diskussionen zu ermöglichen. Und um die einzelnen Stimmen ohne Hervorhebungen nebeneinander hören zu können (Stichwort Redegegenstand, Redezeit, Handzeichen, Moderation oder Ähnliches). 

Womöglich ließen sich auch die Abstimmungstools hinterfragen, um besser geeignete Alternativen zu finden. Meiner Erfahrung nach wirken auch Redekreise, also Besprechungen in Kreisform, erstaunlich anders als um einen Tisch oder in Reihen. Mit den Rahmenbedingungen lässt sich gut experimentieren, um herauszufinden, was die Gruppe braucht, um konstruktiv zusammenzuarbeiten. 

Worüber es sich (auch) zu sprechen lohnt

So wesentlich Rahmengebung und geeignete Tools sind, reichen diese Überlegungen manchmal nicht aus. Darüber hinaus stellt sich eine andere Frage: Worüber sprecht ihr genau, welche Ebenen der Zusammenarbeit werden tatsächlich adressiert, welchen allzu menschlichen Themen wird Raum eingeräumt und welchen nicht? 

Selbstredend steht im Kontext eines gemeinsamen sozialen Engagements für eine bestimmte Sache die Einigung über sachliche, Vernunft basierte, gar intellektuelle Argumente im Vordergrund. Für viele engagierte Aktivist*innen zeichnet sich politische Arbeit gerade durch Kopfarbeit und theorieorientierte Debatten aus. 

Mit Herzblut für die Sache

Das Wesen von Konflikten ist ja aber nicht nur, dass Vorstellungen, Strategien oder Ziele divergieren, sondern dass sie emotional sind. Und die Motivation, die hinter persönlichem Engagement steht, ist das tatsächlich zumeist auch. Hinter den Überzeugungen stehen Leidenschaften. Mit der Theorie ist die Begeisterung dafür verwebt. 

Und diese Dinge – zwischen den Zeilen – bleiben ausgespart. Die Herzensebene wirkt zwar banal und verletzlich, ist jedoch entscheidend. Und kaum artikuliert.

Jede*r Einzelne legt ihr oder sein Herzblut in die Sache, ist mit Passion und aus voller Überzeugung involviert. Eine Kränkung passiert dort auch leichter, wo diese ganz nah am Eigenen liegt; wo es darum geht, sich damit zu verwirklichen. 

Und ist es da nicht umso erstaunlicher, dass genau diese persönliche Involviertheit mit Wünschen, Bedürfnissen und Gefühlen kaum Worte finden? 

Als würden sie der Sache einen Abbruch tun. Doch das Gegenteil ist der Fall.

Beachtete Emotionen befreien das Denken

Finden Emotionen und echte Bedürfnisse einen eigenverantwortlichen Ausdruck und bei den anderen Mitwirkenden Gehör, passiert etwas, das sich durchaus konstruktiv auf die weitere inhaltliche Zusammenarbeit auswirkt: 

Es klärt sich etwas. 

Knoten lösen sich, neue Perspektiven und ein anderes Verständnis der Dinge können entstehen. Allzumenschliche Empfindungen lassen sich tatsächlich leichter von der Sache unterscheiden, wenn sie direkt adressiert werden. Im besten Fall befreit es das gemeinsame Denken und gibt neue, wesentliche Impulse für weitere Aktivitäten.

Achtsamkeit ist politisch

Das Konzept der Achtsamkeit mag in diesem Kontext etwas ungewöhnlich anmuten. Meiner Erfahrung nach ist sie dabei weder unpolitisch, noch macht die Absicht der Wertfreiheit handlungsunfähig. 

Achtsame Kommunikation in zivilgesellschaftlichen Initiativen

Gerade in konflikthaften Situationen trägt eine innere Haltung von Offenheit, Unvoreingenommenheit, Aufmerksamkeit und Zugewandtheit dazu bei, der oder dem Anderen empathisch zu begegnen und damit im Gespräch zu bleiben. Manchmal braucht ein Gedanke Raum. 

Beides zu kennen ist wichtig, um bestmögliche Kompromisse, Lösungen und Einigungen zu schaffen.

Beides achtsam anzuerkennen gibt der gemeinsamen Handlungsfähigkeit neuen Antrieb, ohne dass Einzelne die eigene Position vernachlässigen müssten oder sich dazu gezwungen sähen, aus dem Projekt oder der Bewegung auszusteigen. 

 

Wie lässt sich das in der Praxis anwenden?

Egal, ob ein Projekt ganz am Anfang steht, oder ob es sich in einer konfliktbeladenen Krisensituation befindet: Setzt euch im Redekreis zusammen. Dabei geht es (noch) nicht um Inhalte, sondern um das jeweils persönliche und gemeinsame Wesentliche:

  • Was bringt dich zum Thema?
  • Was erwartest du dir von dem Projekt?
  • Was ist dir wichtig? 

Sich als Gruppe auf die gemeinsamen Werte und Visionen (Ziele) zu besinnen, ist weiterführend förderlich, um einer Sache wieder Aufwind zu geben. Erarbeitet diese gemeinsam, sollten sie noch nicht definiert worden sein. 

Dieser Fokus auf das Gemeinsame schafft in zerbrechlichen Situationen wieder Verbundenheit und Zusammenhalt über das Individuelle hinaus. Es stärkt die Motivation und schärft den Blick wofür man bereit ist, Kompromisse einzugehen.

Gewaltfreie Kommunikation beugt Konflikten vor

Das Modell der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) eignet sich dafür, euch – abseits der meinungsbildenden Debatte – achtsam über das persönliche emotionale Erleben in Bezug auf spezifische problemhafte Themen auszutauschen. Basis der GFK nach Marshall Rosenberg ist die oben erwähnte Empathie dem oder der Anderen gegenüber. Außerdem gilt es, eigenverantwortlich für eigene Gefühle, Bedürfnisse und Ich-Formulierungen zu bleiben. 

Das Modell besteht aus 4 Schritten:

Achtsame Kommunikation in Initiativen

  1. Beschreibe (wertfrei) eine konkrete Beobachtung (Sinneswahrnehmung), die dein Wohlbefinden beeinträchtigt. 
  2. Drücke dein Gefühl aus, das dadurch ausgelöst wird (Ich-Aussage).
  3. Benenne dein hinter dem Gefühl liegendes Bedürfnis (etwas, das du brauchst und unerfüllt ist; Ich-Aussage).
  4. Formuliere eine handlungsorientierte konkrete Bitte und beachte, dass die*der Andere frei ist, dies nicht zu erfüllen (es ist ein Wunsch, keine Forderung).

 

Anschließend kann die*der Andere in ebendieser Weise das Eigene ausdrücken. Eine Einigung gelingt somit durch ein besseres gegenseitiges Verständnis für das, was hinter saloppen Äußerungen, Handlungen und Verhaltensweisen liegt. 

Achtsame Kommunikation ist sicher kein Universalmittel. Aber ich bin überzeugt, dass sie es vermag, genauso im Kontext zivilgesellschaftlichen Engagements und sozialer Bewegungen Beziehungen positiv zu fördern. Denn gerade persönliche Verbundenheit schafft eine gelingende Zusammenarbeit und stärkeren Zusammenhalt für die gemeinsame Sache. Einen Versuch ist es wert.

Möchtest du noch genauer wissen, worauf es bei Achtsamer Kommunikation ankommt? Willst du für dich klären, wo du in Bezug auf das achtsame Kommunizieren stehst und wo du am besten ansetzen kannst, um Gespräche gewaltfrei verlaufen zu lassen? Dann hole dir direkt meine kostenfreie Infografik & Checkliste (PDF-Datei).


Anna Kromer

Mag.a Anna Kromer hat Medienwissenschaft studiert und ist als Kommunikationstrainerin und Coach in freier Praxis in Wien sowie online tätig. Sie begleitet Frauen* dabei, eigene Strategien zu entwickeln, um Konfliktmomente gut zu meistern. Schwerpunkte sind u. a. der Umgang mit Emotionen, die Lösung von Konfliktdynamiken und Entwicklung von Selbstsicherheit im Gespräch. Basis für ihre Arbeit ist die Gewaltfreie Kommunikation (n. M. Rosenberg).

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