In der ersten Jahreshälfte 2015 flüchteten über 33.000 Kinder und Jugendliche nach Deutschland. Im gleichen Zeitraum 2014 waren es nur knapp 20.000. Was passiert mit diesen Kindern? Wie werden sie in unser Bildungssystem integriert?
Zuwanderung ist der Motor für gesellschaftlichen Wandel und Innovation. Zuwanderung stellt einen Normalfall dar, keine Ausnahmesituation. Dies zeigt sich schon seit Generationen in den Klassenzimmern der Bundesrepublik, die noch nie monokulturell oder monoloinguell waren. Bevor es 2015 zu der sogenannten „Flüchtlingskrise“ kam (ein Begriff, der falscher kaum sein könnte), wurden die Themen Migration, Flucht und Asyl im Klassenzimmer jedoch nur selten thematisiert. Im Sommer 2015 änderte sich dies schlagartig und an den Schulen und Hochschulen wurden quasi über Nacht prestigeträchtige Formate und Projekte aus dem Boden gestampft. So vorbildlich die schnelle Reaktion auch war, es fehlte an Nachhaltigkeit, an Weitblick und auch an Zeit. Betrachtet man Forschungsgelder, die vor dem besagten Sommer in Arbeiten zu der Thematik flossen, muss recht lange gesucht werden. Die Themen Flucht und Asyl im Bildungsbereich wurden lange Zeit schlichtweg vergessen. Umso wichtiger ist es nun, langfristig zu denken – und das sowohl an den Schulen als auch an den Institutionen, die Lehrkräfte ausbilden, also auch an Universitäten. Dies funktioniert jedoch nur, wenn die Politik die Gelder dafür bereit stellt und sich für dieses Thema öffnet.
Integration kann nur durch Bildung gelingen. Zum einen ist natürlich der Spracherwerb zentral. Darüber hinaus sollen die Kinder, ob nun mit oder ohne Fluchtgeschichte, auch demokratische Grundwerte lernen und sich langfristig auch auf eine Berufsausbildung oder ein Studium vorbereiten. Diese drei Punkte zusammen bilden den Grundstein für eine gelingende gesellschaftliche Teilhabe!
Recht auf Bildung
Alle Bundesländer haben sich zum Aufbau eines inklusiven Schulsystems verpflichtet. Das bedeutet, dass alle Kinder gemeinsam lernen sollen. Wie soll das funktionieren, wenn Klassen immer heterogener werden? Wie soll das irakische Mädchen ohne Deutschkenntnisse gemeinsam mit dem Jungen aus dem Taunus lernen? Wie sollen alle Kinder trotzdem individuell gefördert werden? Ausreichend pädagogisches Personal, das sich regelmäßig fortbildet, ist eine Grundvoraussetzung. Doch dies kostet Geld.
Asylbewerber und –bewerberinnen sowie geduldete Menschen haben grundsätzlich und ohne Wartefrist das Recht, eine schulische Ausbildung aufzunehmen. Dies ist im Artikel 3 des Grundgesetzes, der UN-Kinderrechtskonvention und in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union als „Recht auf Bildung“ verankert.
Die Bundesländer haben verschiedene Ansätze, dieses „Recht auf Bildung“ umzusetzen. In einigen Gegenden kommen die geflüchteten Kinder und Jugendlichen direkt mit in die Regelklassen und bekommen zum Teil nur begleitenden Deutschunterricht. Im anderen Extrem werden extra Intensivklassen eröffnet, in denen die Kinder und Jugendliche zum Teil bis zu ihrem Schulabschluss exklusiv beschult werden. Mehr dazu findet sich in einer recht neuen Studie der Stiftung Mercator.
Chancen für die Zukunft
Etwas, was in der Debatte immer wieder vergessen wird, ist: Es gibt sie nicht, die „Flüchtlingskinder“. Die geflüchteten Menschen, die hier ankommen, bringen ganz unterschiedliche, individuelle Geschichten, Bildungsbiografien und sprachliche Fähigkeiten mit. Dies ist ja durchaus auch logisch, betrachtet man die vielen verschiedenen Herkunftsstaaten und Fluchtursachen. Der Blick auf geflüchtete Schüler und Schülerinnen darf nicht auf fehlende Sprachkenntnisse verkürzt werden! Ein defizitorientierter Ansatz ist falsch. Mehrsprachigkeit muss als Chance gesehen werden!
Die Bildungspolitik muss langfristig investieren, um diese Chance nutzen zu können. Denn es ist davon auszugehen, dass in Zukunft nicht weniger Menschen ihre Heimatländer verlassen müssen, sondern die Zahlen sogar steigen werden. Der Klimawandel schreitet voran und gilt als eine der Hauptfluchtursachen in naher Zukunft. Hinzu kommen bestehende und sich neu bildende Konfliktherde weltweit. Die Potenziale der zugewanderten Schülerinnen und Schüler müssen gefördert werden. Dies kann jedoch nur gelingen, wenn alle Kinder Zugang zum Bildungssystem haben und inklusiv miteinander lernen können. Dafür brauchen die Bildungsinstitutionen ausreichend, stets fortgebildetes und gut ausgebildetes Fachpersonal, das für Diversität sensibilisiert ist.
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