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Zwischen Rabenmutter und Helikoptermom – Wie man es niemandem recht machen kann – und sollte

Zwischen Rabenmutter und Helikoptermom – Wie man es niemandem recht machen kann – und sollte

Seit 15 Monaten bin ich nun Mutter. Eigentlich schon länger, wenn man die neuneinhalb Monate der Schwangerschaft hinzuzählt. Mir wurde vorher schon immer erzählt, dass man sich als Schwangere und schließlich auch (und wohl besonders) als Mutter für Dinge rechtfertigen muss, die vorher überhaupt kein Thema waren („Was? Du isst Fleisch?“, „Was? Du isst kein Fleisch?“, „Was? Du machst Sport?“, „Was? Du machst keinen Sport?“). Ich stellte mir vor, dass ich die Menschen, die solche Kommentare von sich geben und solche Fragen stellen, oder auch einfach nur solche Blicke werfen, zur Rede stellen würde und das Ganze ausdiskutieren würde. Ab dem gefühlten 2000. Mal wurde ich jedoch müde und ließ es einfach über mich ergehen. Aber es gibt ein Thema, das mich wurmt und mit dem ich nicht gut klarkomme. 

In Deutschland hat man als Eltern die Möglichkeit, maximal 14 volle Monate Elterngeld zu bekommen. Während dieser 14 Monate erhält man maximal 67% des bisherigen Einkommens. Bemessen wird dies im Normalfall an den 12 Monaten vor der Geburt. In meinem Fall war es das Kalenderjahr vor der Geburt, weil ich teilselbstständig war. Es ist super, dass es in Deutschland das Elterngeld gibt und dafür bin ich sehr dankbar. Soweit so gut. 

Für meinen Mann und mich war klar, dass wir beide im Anschluss an diese Elternzeit wieder arbeiten gehen werden. Alles andere wäre finanziell auch überhaupt nicht möglich gewesen. Und trotzdem habe ich das Gefühl, beständig als „Rabenmutter“ abgestempelt zu werden, weil mein einjähriges Kind „fremdbetreut“ wird. Alleine das Wort bringt mich in Rage. Unsere Krippe hat sich enorm viel Zeit für die Eingewöhnung genommen, mein Kleiner freut sich jeden Morgen auf die Stunden mit anderen Kindern und mit den (ihm vertrauten) Erzieherinnen. Die Menschen sind ihm nicht fremd. Und wenn ich ihn am frühen Nachmittag wieder abhole, dann freuen wir uns beide und verbringen den Rest des Tages gemeinsam.

Vorher war es für mich zerreißend. Ich habe versucht, die Arbeit und die Kinderbetreuung mehr oder weniger parallel laufen zu lassen. Wenn mein Sohn schlief, hetzte ich an den PC und versuchte, alles abzuarbeiten. Oft klingelte mein Telefon, während er spielte und ich versuchte, auf ihn aufzupassen, während ich mit Kundinnen und Kunden sprach. Bei vielen Meetings war er dabei. Jetzt hole ich ihn aus der KiTa und wir genießen die freie Zeit zusammen.

Kommentare wie „In dem Alter ist er dann schon ganz alleine?“, oder „Er braucht doch seine Mutter“ tun weh und sind auch einfach falsch. Aber auch die erstaunten Blicke der Erzieherinnen, wenn sie merken, dass ich immer mit Laptoptasche zum Abholen komme und nicht spontan doch mal zwei Stunden eher kommen kann. Sie gehen wohl davon aus, dass ich den Vormittag zum Kaffeetrinken nutze.

Zwischen Rabenmutter und Helikoptermom.
Wie man es niemandem rechtmachen kann – und sollte.

Doch es gibt auch noch Druck aus einer anderen Richtung. Mein Sohn hat zwei Nationalitäten. So bekommen wir auch eine Menge Einfluss aus Frankreich. Hier ist es vollkommen normal, dass Kinder mit drei Monaten in Krippen oder zu Tagesmüttern kommen. Die Mütter beginnen direkt wieder Vollzeit zu arbeiten. Abgesehen davon, dass ich das aus gesundheitlichen Gründen gar nicht gekonnt hätte, ist dies ein vollkommen anderes Phänomen. Hier höre ich: „Aber der Kleine muss doch mal unter Menschen!“, „Die KiTa ist wichtig für die soziale Entwicklung.“ und „Du kannst doch nicht ein ganzes Jahr nichts tun!“. In Frankreich wäre ich also eine Glucke. Eine Helikoptermama, die ihr wenige Wochen altes Kind nicht schreien ließ und es immer noch gerne im Arm einschlafen lässt. 

Für mich wird dabei so deutlich, wie kulturell geprägt die Thematik ist und wie viele Menschen fest davon überzeugt sind, dass ihre Sicht der Dinge das Non-Plus-Ultra ist. Es fehlt dabei vollkommen an Vertrauen in die Mutter-Kind-Beziehung und an Toleranz. Aber auch Fakten werden einfach ausgeblendet: Viele Menschen können es sich schlichtweg nicht leisten, dass nur ein Elternteil arbeiten geht. Ich habe auch Freundinnen und Freunde, die so wenig Elterngeld bekommen, dass sie selbst die 14 Monate nicht zu Hause bleiben können. Sie sind doch trotzdem keine schlechten Eltern! 

Vor einigen Tagen veröffentlichte eine Mama-Bloggerin ein Kochbuch. Ich folge der Instagrammerin schon lange, ihr Kind ist kaum älter als meines. Sie ist Journalistin und macht viele tolle Projekte, hat auch während der Elternzeit viel gearbeitet und scheint sich den Alltag mit ihrem Mann super aufzuteilen. Umso überraschter war ich, als ich in ihrem Kochbuch einen Satz las, der diesem ähnelt: „Wir wollen nicht nur eine gute Partnerin, gute Mutter und Hausfrau sein, sondern auch immer frisch kochen!“.Dieses Bild entsprach gar nicht dem, welches sie bisher von sich preisgab. Ich schrieb ihr darauf hin und fragte, wieso es nur um Mütter und nicht um Väter geht. Und wieso sie nicht erwähnt, dass sie auch eine tolle Geschäftsfrau und Journalistin ist. Sie erzählte mir daraufhin, dass sie in Bezug auf ihre Zielgruppe vorsichtig ist. Es könnten sich Frauen, die zu Hause bleiben, schlecht fühlen.

Mich hat das sehr nachdenklich gemacht. Sicherlich hat sie recht. Aber wie kann es sein, dass wir uns da so vergleichen und so beeinflussen lassen? Wieso müssen wir ein Bild aus den 50er Jahren abgeben, dass sich praktisch heutzutage schlichtweg nicht mehr umsetzen lässt?

Was läuft da eigentlich gerade alles schief in Bezug auf unser Mütter- und Väterbild? Und wieso können wir es nicht einfach mal tolerieren, akzeptieren und vielleicht sogar toll finden, wie andere Menschen Eltern sind und trotzdem das Leben weiter irgendwie schaukeln – ob zu Hause oder im Job? Oder, um es in den Worten von Meaghan O’Connell zu schreiben:  

The problem, of course, is that we are different people, with different babies, and different values, different incomes, and different circumstances.”

Ach, eins noch: Das Wort „Rabenmutter“ gibt es im Französischen nicht. Die „Glucke“ allerdings schon.  

Das Recht auf Bildung nachhaltig gewähren – Geflüchtete Kinder und Jugendliche in der Schule

Das Recht auf Bildung nachhaltig gewähren – Geflüchtete Kinder und Jugendliche in der Schule

In der ersten Jahreshälfte 2015 flüchteten über 33.000 Kinder und Jugendliche nach Deutschland. Im gleichen Zeitraum 2014 waren es nur knapp 20.000. Was passiert mit diesen Kindern? Wie werden sie in unser Bildungssystem integriert?

Zuwanderung ist der Motor für gesellschaftlichen Wandel und Innovation. Zuwanderung stellt einen Normalfall dar, keine Ausnahmesituation. Dies zeigt sich schon seit Generationen in den Klassenzimmern der Bundesrepublik, die noch nie monokulturell oder monoloinguell waren. Bevor es 2015 zu der sogenannten „Flüchtlingskrise“ kam (ein Begriff, der falscher kaum sein könnte), wurden die Themen Migration, Flucht und Asyl im Klassenzimmer jedoch nur selten thematisiert. Im Sommer 2015 änderte sich dies schlagartig und an den Schulen und Hochschulen wurden quasi über Nacht prestigeträchtige Formate und Projekte aus dem Boden gestampft. So vorbildlich die schnelle Reaktion auch war, es fehlte an Nachhaltigkeit, an Weitblick und auch an Zeit. Betrachtet man Forschungsgelder, die vor dem besagten Sommer in Arbeiten zu der Thematik flossen, muss recht lange gesucht werden. Die Themen Flucht und Asyl im Bildungsbereich wurden lange Zeit schlichtweg vergessen. Umso wichtiger ist es nun, langfristig zu denken – und das sowohl an den Schulen als auch an den Institutionen, die Lehrkräfte ausbilden, also auch an Universitäten. Dies funktioniert jedoch nur, wenn die Politik die Gelder dafür bereit stellt und sich für dieses Thema öffnet.

Integration kann nur durch Bildung gelingen. Zum einen ist natürlich der Spracherwerb zentral. Darüber hinaus sollen die Kinder, ob nun mit oder ohne Fluchtgeschichte, auch demokratische Grundwerte lernen und sich langfristig auch auf eine Berufsausbildung oder ein Studium vorbereiten. Diese drei Punkte zusammen bilden den Grundstein für eine gelingende gesellschaftliche Teilhabe!

Recht auf Bildung

Das Recht auf Bildung nachhaltig gewähren - Geflüchtete Kinder und Jugendliche in der Schule

Das Recht auf Bildung nachhaltig gewähren
– Geflüchtete Kinder und Jugendliche in der Schule

Alle Bundesländer haben sich zum Aufbau eines inklusiven Schulsystems verpflichtet. Das bedeutet, dass alle Kinder gemeinsam lernen sollen. Wie soll das funktionieren, wenn Klassen immer heterogener werden? Wie soll das irakische Mädchen ohne Deutschkenntnisse gemeinsam mit dem Jungen aus dem Taunus lernen? Wie sollen alle Kinder trotzdem individuell gefördert werden? Ausreichend pädagogisches Personal, das sich regelmäßig fortbildet, ist eine Grundvoraussetzung. Doch dies kostet Geld.

Asylbewerber und –bewerberinnen sowie geduldete Menschen haben grundsätzlich und ohne Wartefrist das Recht, eine schulische Ausbildung aufzunehmen. Dies ist im Artikel 3 des Grundgesetzes, der UN-Kinderrechtskonvention und in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union als „Recht auf Bildung“ verankert.

Die Bundesländer haben verschiedene Ansätze, dieses „Recht auf Bildung“ umzusetzen. In einigen Gegenden kommen die geflüchteten Kinder und Jugendlichen direkt mit in die Regelklassen und bekommen zum Teil nur begleitenden Deutschunterricht. Im anderen Extrem werden extra Intensivklassen eröffnet, in denen die Kinder und Jugendliche zum Teil bis zu ihrem Schulabschluss exklusiv beschult werden. Mehr dazu findet sich in einer recht neuen Studie der Stiftung Mercator.

Chancen für die Zukunft

Etwas, was in der Debatte immer wieder vergessen wird, ist: Es gibt sie nicht, die „Flüchtlingskinder“. Die geflüchteten Menschen, die hier ankommen, bringen ganz unterschiedliche, individuelle Geschichten, Bildungsbiografien und sprachliche Fähigkeiten mit. Dies ist ja durchaus auch logisch, betrachtet man die vielen verschiedenen Herkunftsstaaten und Fluchtursachen. Der Blick auf geflüchtete Schüler und Schülerinnen darf nicht auf fehlende Sprachkenntnisse verkürzt werden! Ein defizitorientierter Ansatz ist falsch. Mehrsprachigkeit muss als Chance gesehen werden!

Die Bildungspolitik muss langfristig investieren, um diese Chance nutzen zu können. Denn es ist davon auszugehen, dass in Zukunft nicht weniger Menschen ihre Heimatländer verlassen müssen, sondern die Zahlen sogar steigen werden. Der Klimawandel schreitet voran und gilt als eine der Hauptfluchtursachen in naher Zukunft. Hinzu kommen bestehende und sich neu bildende Konfliktherde weltweit. Die Potenziale der zugewanderten Schülerinnen und Schüler müssen gefördert werden. Dies kann jedoch nur gelingen, wenn alle Kinder Zugang zum Bildungssystem haben und inklusiv miteinander lernen können. Dafür brauchen die Bildungsinstitutionen ausreichend, stets fortgebildetes und gut ausgebildetes Fachpersonal, das für Diversität sensibilisiert ist.

Eine Podiumsdiskussion mit mir an der MBS Frankfurt zu dem Thema

Eine Podiumsdiskussion mit mir an der MBS Frankfurt zu dem Thema

Flucht, Asyl, Migration, Klimawandel – Und was haben wir damit zu tun?

Flucht, Asyl, Migration, Klimawandel – Und was haben wir damit zu tun?

Donald Trump gibt sich gerade alle Mühe, den Anschein zu geben, dass seine Wahlversprechen umsetzbar sind. Natürlich mache ich mir Sorgen, so wie so viele Menschen auf der ganzen Welt. Der Punkt, der mir am allermeisten zu schaffen macht, ist, dass vier Jahre eine sehr lange Zeit sind, wenn man bedenkt, wie sehr wir gerade gegen die Zeit rennen. Der menschengemachte Klimawandel ist unabwendbar und doch besteht jetzt noch eine Chance, ihn in Grenzen zu halten. Wenn nun aber ein so großes Land wie die USA über vier Jahre lang den Klimawandel leugnet, dann raubt mir das den Schlaf.

Klimawandel bedeutet in unserer Zeit nicht nur verregnete Sommer und zu warme Winter. Er bedeutet für viele Menschen auch, dass sie ihre Heimat verlieren. Wenn wir schon im Jahr 2015 von einer „Flüchtlingskrise“ gesprochen haben, dann sollten wir uns in den kommenden Jahrzehnten warm anziehen. Immer wieder hört man in den Medien, dass die Menschen in den industrialisierten Staaten, also auch ich, Einfluss haben auf Fluchtgründe von vielen Millionen Menschen. Googelt man dies, erscheinen als erstes Artikel zum Thema Waffenexporte. Doch wie sieht es mit dem Klimawandel aus? Um mich ein wenig besser darüber zu informieren, wie Klimawandel und Migration zusammen hängen, las ich den Aufsatz „Migration and Climate Change“ von Etienne Piguet, Antoine Pécoud und Paul de Guchteneire.

Klimabedingte Migration ist demnach nicht – wie häufig angenommen – eine neue Erscheinung. Ganz im Gegenteil sorgten Klimaveränderungen schon immer dafür, dass Menschen ihre Heimat kurz- oder langfristig verlassen mussten. Im zwanzigsten Jahrhundert wurde die Forschung in diesem Bereich aber größtenteils eingestellt, weil davon ausgegangen wurde, dass die Technik den Einfluss der Natur auf den Menschen stark einschränken würde. Erst in den 1990er, nachdem der erste offizielle IPCC-Bericht den Klimawandel bekannter machte, wurde wieder vermehrt in dem Bereich Klima-Migration geforscht.

Unwetter und Wirbelstürme sind anders als Dürren und der Meeresspiegelanstieg

Flucht, Migration, Klimawandel – Und was haben wir damit zu tun? von Merle Becker

Flucht, Migration, Klimawandel – Und was haben wir damit zu tun?

Etienne Piguet, Antoine Pécoud und Paul de Guchteneire machten deutlich, dass schnell einsetzende Phänomene, wie etwa Unwetter und Wirbelstürme, eher zu einer kurzzeitigen Migration führen. In einigen Fällen kommt es sogar zu Pull-Effekten, da Menschen in die betroffenen Gebiete einwandern, um dort Hilfe zu leisten und weil Hilfsorganisationen neue Wirtschaftszweige ausbauen, die zu einer Arbeitsmigration führen. Von schnell einsetzenden Phänomenen sind viele Millionen Menschen jährlich betroffen und die Unwetter sind schwer vorhersagbar. Nur bei hoch frequentierten Phänomenen dieser Art kommt es zu einer langfristigen Abwanderung.

Dürren und Wüstenbildungen hingegen haben langsame Effekte und Auswirkungen, doch auch hier kommt es laut empirischer Studien selten zu Langzeit- und Fernmigration.

Der Meeresspiegelanstieg gilt als irreversibel und gestaltet sich linear. Für viele Menschen bedeutet die Auswanderung die einzige Möglichkeit, wenn sie vom Meeresspiegelanstieg betroffen sind. Es lässt sich sagen, dass es etwa 2,2 Prozent der Landflächen der Erde betrifft, auf welchen etwa 10,5 Prozent der Erdbevölkerung leben. Damit gilt der Meeresspiegelanstieg als größtes Problem in Bezug auf Langzeitmigration. Hier sieht man, wie viele Menschen ihre Heimat in Zukunft verlassen müssen!

Das Problem der Anpassung und Klimagerechtigkeit

Flucht, Migration, Klimawandel – Und was haben wir damit zu tun? von Merle Becker

Flucht, Migration, Klimawandel – Und was haben wir damit zu tun?

Doch für Migration spielt nicht nur das sich wandelnde Klima eine Rolle, sondern auch die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Bedingungen. Klimawandel wird demnach nur zu einer Bedrohung, wenn die weiteren Bedingungen keine gute Anpassung garantieren können. So kann in den Niederlanden etwa ein größerer und stärkerer Deich gebaut werden – dies ist jedoch in vielen ärmeren Staaten nicht so einfach möglich. Nicht alle Menschen haben Zugang zu den gleichen Anpassungs-Ressourcen. Dies zeigt sich nicht nur auf globaler Ebene, sondern auch anhand von Gender- und Klassen-Unterschieden. Der gleiche Umweltfaktor kann demnach unterschiedliche Auswirkungen auf verschiedene Menschen haben.

Vor allem die Staaten, die sich bestmöglich an die Folgen des Klimawandels anpassen können, weil sie die finanziellen Ressourcen dazu haben, sind meist für die Klimaveränderungen verantwortlich. Denn ihr heutiger Reichtum basiert auf der vorhergegangen Industrialisierung, die zu dem vermehrten und unkontrollierten Ausstoß von Treibhausgasen führte. An dieser Stelle möchte ich auf Darrel Moellendorf verweisen, der sich mit der Anpassung an den Klimawandel auseinander setzt – denn der Wandel ist bereits weit fortgeschritten und selbst bei vollständiger und sofortiger Beendigung des Ausstoßes von Treibhausgasen müsste die Weltbevölkerung noch mit gravierenden Folgen in naher und ferner Zukunft rechnen. Moellendorf selber schlägt verschiedene Möglichkeiten vor, wie eine möglicherweise gerechte Kostenaufteilung in Bezug auf die Anpassung an den Klimawandel und den Klimaschutz aussehen könnte.

Er stellt das „Polluter-Pays“-Prinzip vor. Dafür muss ein Blick in die Vergangenheit geworfen werden, um zu sehen, welche Staaten besonders viele Treibhausgase ausgestoßen haben. In diesem Fall sollen die Schuldigen haften. Problematisch an dem Ansatz sei aber, dass es in dem Sinne keine Schuldigen gibt, da die Problematik von Treibhausgase erst um das Jahr 1990 bekannt wurde, als bereits 85 Prozent der heutigen Treibhausgase in der Atmosphäre waren. Damit kann man den Staaten und Menschen nicht vorwerfen, bewusst etwas Ungerechtes getan zu haben. Zudem sind viele der Menschen, die in den Verschmutzer-Staaten leben, nicht direkt als Verschmutzer und Verschmutzerinnen zu sehen, da sie viel zu jung sind und ihre Vorfahren für den Großteil der Treibhausgase verantwortlich sind.

Flucht, Migration, Klimawandel – Und was haben wir damit zu tun? von Merle Becker

Flucht, Migration, Klimawandel – Und was haben wir damit zu tun?

Des Weiteren gibt es die Möglichkeit, dass die Staaten zahlen, die von dem Ausstoß der Treibhausgase profitiert haben, also die Industriestaaten. Doch auch dieser Ansatz ist problematisch, da den Staaten zum Zeitpunkt der Industrialisierung und danach nicht bewusst war und nicht bewusst sein konnte, dass der Ausstoß von Treibhausgase gefährlich und unfair sein würde.

Moellendorf plädiert für das „Die Wohlhabenden zahlen“-Prinzip. Diejenigen, denen es finanziell möglich ist, müssen demnach zahlen. Welche Staaten das sind, möchte er an dem Human Development Index festlegen. Laut Moellendorf ist dies das fairste Prinzip der Verantwortung, vor allem, weil die finanziell starken Staaten sich zu einem Großteil mit den Verschmutzer-Staaten und den Profitiert-Staaten decken.

Etienne Piguet, Antoine Pécoud und Paul de Guchteneire schlagen außerdem vor, dass die Aufnahme von vor dem Klima flüchtenden Menschen (sie werden auch „Klimaflüchtlinge“ genannt, was ich schwierig finde) als Teil der gerechten Verteilung der Folgen des Klimawandels aufgefasst werden soll. Denn auch in Bezug auf die Aufnahme von Migranten und Migrantinnen werden es vor allem die industrialisierten, reichen Staaten sein, die sich so anpassen können, dass ihre gesamte Bevölkerung geschützt ist. Genau diese Staaten müssen es sich also zukünftig zur Aufgabe machen, mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Finanzielle Unterstützung seitens der wohlhabenden Staaten kann zudem auch bei einer Binnenmigration in ärmeren Staaten erfolgen.

Fluchtgründe und der Westen

Diese etwas philosophische Herleitung zeigt mal wieder, dass die Fluchtgründe selten getrennt von unserem Leben bestehen. So oft geht es um Waffenexporte, dubiose Partnerschaften von westlichen Regierungen mit Diktatoren oder historische Grenzziehungen, wenn wir von der Verantwortung des Westens in Bezug auf Fluchtgründe sprechen. Aber auch unser alltägliches Leben, der Luxus, ein Auto zu besitzen, jeden Tag den Fernseher, den PC und das Radio anzuhaben, sich stets neue Jenas und alle zwei Jahre ein neues Handy zu kaufen – All dies hat gravierende Auswirkungen auf das Leben von Millionen von Menschen weltweit. Und genau deshalb stehen die Menschen in den industrialisierten Staaten in der Verantwortung, Menschen aufzunehmen, die in anderen Teilen der Welt nicht mehr in Würde leben können.

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Quellen:

Moellendorf, D. 2014: The Moral Challenge of Dangerous Climate Change: Values, Poverty, and Policy.

Piguet E. et al. 2011: Introduction: Migration and climate change. S. 1-33.

Das Journal Frankfurt wählt mich unter die Top 30 unter 30!

Das Journal Frankfurt wählt mich unter die Top 30 unter 30!

Ich fühle mich geehrt und freue mich sehr: Das Journal Frankfurt stellt mich bei den Top 30 unter 30 in Frankfurt an erste Stelle! Natürlich stehe ich da nur stellvertretend für alle die vielen Menschen, die sich bei aeWorldwide engagieren. Danke Euch – Ihr seid ein tolles Team!!

Merle Becker wird von dem Journal Frankfurt unter die 30 bedeutensten Frankfurter unter 30 gewählt. Danke an Harald Schröder Fotografie!

Merle Becker wird von dem Journal Frankfurt unter die 30 bedeutensten Frankfurter unter 30 gewählt. Danke an Harald Schröder Fotografie!

Das Journal Frankfurt schreibt auf facebook:
„Unsere Ausgabe 3/2017 widmet sich etlichen jungen Menschen in unserer Stadt, von denen wir noch viel hören werden. Oben etwa sehen Sie Merle Becker, die an der Goethe-Universität ein Projekt aufgebaut hat, das geflüchtete Akademiker mit Menschen von hierzulande vernetzt. Damit gehört sie für uns zu den Top 30 unter 30 in Frankfurt!“